Eine Wiener Institution: Das Collegium civium

Unterricht an einer Wiener Schule im Mittelalter: Beten, schreiben, memorieren. Eine Schulordnung von 1446 erzählt.

1237 wurde erstmals die Pfarrschule bei St. Stephan urkundlich erwähnt. 1296 übertrug Herzog Albrecht I. dem Wiener Bürgermeister und dem Rat die Verwaltung dieser Schule, deren Rektor die Oberaufsicht über alle Schulen der Stadt hatte. Damit wurde eine geistliche Institution städtischer Hoheit unterstellt. Das Collegium civium, die Lateinschule von St. Stephan, ähnelte mehr einer Hochschule als einer Grundschule. Berühmte Gelehrte aus ganz Europa waren hier als Unterrichtende und Rektoren tätig. Unterrichtet wurden die „septem artes liberales“, die sieben freien Künste: vorerst Grammatik, Dialektik und Rhetorik. Waren diese Fächer bestanden, folgten Arithmetik (nur die vier Grundrechnungsarten), Geometrie, Musiktheorie und Astronomie. Diese Unterrichtsfächer wurden auch an Dom- und Klosterschulen sowie in den Einführungslehrgängen (der sogenannten „Artistenfakultät“) der Universität geboten. Dazu wurde in Wien auch noch Theologie gelehrt.

Eine Schulordnung aus dem Jahr 1446 gibt Einblick in den Schulalltag: Alle Schüler wurden in einem gemeinsamen Raum unterrichtet. Sie waren in drei Altersgruppen und innerhalb der Altersgruppe in drei Leistungsstufen eingeteilt. Die Ausbildung durchlief also insgesamt neun Stufen, was bei schnellem Lernfortschritt in drei Jahren möglich war. Ältere Schüler unterwiesen teilweise die Jüngeren und übten mit ihnen. Der Stoff wurde diktiert, mitgeschrieben und auswendig gelernt. Die Schüler mussten ausschließlich die lateinische Sprache verwenden. Ferienzeiten gab es keine, der Schulunterricht dauerte von frühmorgens bis zum Abendgebet. An Sonn- und Feiertagen mussten die Jugendlichen bei kirchlichen Veranstaltungen mitwirken. Allein die hin und wieder stattfindenden Schulfeste boten Abwechslung, diese wurden jedoch häufig ebenfalls reglementiert, um Ausschreitungen vorzubeugen.

Julia Teresa Friehs