Derbheit als politische Waffe – Maria Theresia als Opfer von Karikaturen

Maria Theresia wird ihrer Kleider beraubt (De Koninginne van Hongaryen ontkleedt). Niederländischer Kupferstich (und Radierung) nach einem Original von Engels,1742

Im Zeitalter Maria Theresias gewann die Karikatur erstmals eine selbständige Bedeutung in politischen Auseinandersetzungen. Dies betrifft vor allem englische und niederländische Produkte, während die Zensurpraxis der Habsburger eine Produktion im eigenen Land unmöglich machte.

Maria Theresia wird ihrer Kleider beraubt (De Koninginne van Hongaryen ontkleedt). Niederländischer Kupferstich (und Radierung) nach einem Original von Engels,1742

In bildlicher Weise werden in den Karikaturen jene Argumente im Wortsinn „auf den Punkt“ gebracht und ikonografisch umgesetzt, wie sie sonst kaum pointierter hätten formuliert werden können. Die fallweise langen Textlegenden der Grafiken zeigen zugleich aber auch, dass großer Wert auf korrekte Identifizierungen der dabei wiedergegebenen Personen und Themen gelegt wurde, um Missverständnisse oder fehlerhafte Zuordnungen durch falsche Interpretationen zu vermeiden.

Sehr konkret und fast voyeuristisch geht es bei einer der populärsten Karikaturen – mit Maria Theresia als Feindbild – zu, nämlich beim bekannten niederländischen Kupferstich (und Radierung) des Jahres 1742 mit dem Titel Maria Theresia wird ihrer Kleider beraubt (De Koninginne van Hongaryen ontkleedt.) nach einem Original von Engels (nicht nachgewiesen). Der alte Kardinal André-Hercule de Fleury, Haupt der französischen Kriegspartei, demonstriert zusätzlich zu seinen im Bild festgehaltenen offensichtlichen Zudringlichkeiten auch mit dem Text des ihm zugeordneten Schriftbandes („Laat het my handelen.“) die Unverfrorenheit seines uneinsichtigen Tuns. Im Berauben der Kleider der Regentin wird der intendierte Vorgang der Herabwürdigung Maria Theresias (hier noch mit Kronen auf dem Haupt wiedergegeben) anschaulich zum Ausdruck gebracht, womit die politisch ohnehin umstrittene Rangerhöhung der Habsburgerin mit den ungarischen und böhmischen Königstiteln zusätzlich in Frage gestellt wird. Derartige Grafiken wurden in leicht unterschiedlichen Versionen in großer Stückzahl hergestellt.

Wenn man den medialen Fokus weitet und eine Gattung miteinzubezieht, die in engem Konnex mit den Karikaturen steht, dann zeigt sich, dass sogenannte Spottmedaillen bereits aufgrund ihres wenig fein gearbeiteten Äußeren stilistisch deutlich von den wesentlich präziser ausgeführten Prägungen höfischen Ursprungs abzuheben sind: Diese Werke haben zumeist die Auseinandersetzungen um die schwierige Durchsetzung der Pragmatischen Sanktion zum Inhalt und zeigen die Motive von Karikaturen in einer anderen (beständigeren) Gattung. Selbstverständlich bedienten sich nicht die gekrönten Häupter dieser derben Sprache: Vielmehr handelt es sich um eine Kommunikationspraxis, die vor allem von freien Verlegern gewählt wurde, um die politische Meinungslage in Europa beeinflussen zu können.

Werner Telesko