Kaiserin und Kirche

Blick in die Kapelle in Schloss Schönbrunn

Zum Tagesablauf jedes habsburgischen Herrschers zählte eine Reihe von religiösen Verpflichtungen. Wie ein eigenhändig notierter Tagesplan Maria Theresias verrät, besuchte sie jeden Morgen nach dem Ankleiden eine Messe und um sechs Uhr abends ein Rosenkranzgebet.

Blick in die Kapelle in Schloss Schönbrunn

Hielt sich Maria Theresia in der Hofburg in Wien auf, wurde wochentags die morgendliche Messe in der Kammerkapelle gelesen, während der Sonntagsgottesdienst üblicherweise in einem größeren Kreis in der Hofkapelle stattfand. Auch in den anderen Residenzen standen eigene Sakralräume zur Verfügung, wie etwa die Schlosskapelle in Schönbrunn. In ihrer Glaubenspraxis stützte sich die Kaiserin auf die Traditionen ihrer Vorfahren. Ihren Kindern empfahl sie in Briefen und Instruktionen jeden Tag mit Frömmigkeitsübungen zu beginnen, ein Morgengebet zu verrichten und sich täglich geistlicher Lektüre zu widmen.

An hohen Kirchenfesten und bestimmten Heiligenfesttagen nahmen die Mitglieder der kaiserlichen Familie an zusätzlichen Messen, Andachten und Gebeten teil. Dafür besuchten sie häufig verschiedene Kirchen und Klöster rund um Wien: An Marienfeiertagen ging das Kaiserpaar zur Mariensäule am Hof, an Fronleichnam fanden große Prozessionen unter Beteiligung des Hofes statt, an Ostern eine Wallfahrt zum Kalvarienberg in Hernals und am Leopolditag eine Wallfahrt nach Klosterneuburg.

Diese „in publico“ – also öffentlich – begangenen Kirchenbesuche waren Teil der demonstrativ gelebten, katholischen Glaubenspraxis des Herrscherhauses. In späteren Lebensjahren wurden Maria Theresia diese Verpflichtungen manchmal allerdings zu viel, wie sie ihrer Vertrauten Sophie Gräfin Enzenberg in einem Brief schrieb: „Mein Kopf platzt zwischen all den kirchlichen Verpflichtungen“.

Franz Stephan trat in der Aufrechterhaltung habsburgischer Frömmigkeitstraditionen häufig konsequenter auf als Maria Theresia selbst: Als am Karsamstag 1756 der traditionelle Besuch der Heiligen Gräber in den Kirchen Wiens anstand, wollte sich Maria Theresia nicht überanstrengen. Während Franz Stephan 22 Gräber besuchte und Almosen verteilte, absolvierte Maria Theresia parallel dazu eine kleinere Tour von nur neun Stationen. Obwohl sie später startete als Franz Stephan, war sie dennoch wesentlich schneller als er, und musste schließlich eine Dreiviertelstunde in der Augustinerkirche auf ihn warten. Auch gegen Maria Theresias Wunsch, die jährlich stattfindende Leopoldiwallfahrt nach Klosterneuburg von zwei Tagen auf einen Tag zu verkürzen, setzte sich Franz Stephan ein. Er wollte nichts beenden, was eine so große Tradition besaß und vor „unerdencklichen Jahren her bei dem Hauß Oesterreich introduciret ware.“ Trotzdem verkürzte Maria Theresia diese Wallfahrt schließlich und schränkte auch ihre öffentliche Teilnahme an Messen nach und nach ein.

Stefanie Linsboth