Das Augartenpalais - ein "Erlustigungsort" für Erzherzog Otto

Tableau mit Porträts von Erzherzog Otto, seiner Gemahlin Maria Josefa von Sachsen sowie Erzherzog Carl Franz Joseph (dem späteren Kaiser Karl I.), um 1895

Wien, Augartenpalais. Fotografie, um 1908

Hierarchien, Hackordnungen, Familientraditionen legten auch die Wohnsitze der Familienmitglieder fest. Doch warum wohnte Erzherzog Otto im Augarten komfortabler als der Thronfolger?

Tableau mit Porträts von Erzherzog Otto, seiner Gemahlin Maria Josefa von Sachsen sowie Erzherzog Carl Franz Joseph (dem späteren Kaiser Karl I.), um 1895

Wien, Augartenpalais. Fotografie, um 1908

Das Areal, auf dem sich bis heute das Palais Augarten befindet, diente den Habsburgern schon zu Beginn des 17. Jahrhunderts als Jagdgebiet. Joseph II. kaufte das Gelände mitsamt dem darauf befindlichen Palais und ließ dieses erweitern. Noch im selben Jahr, 1775, machte der "Volkskaiser" seinem Beinamen alle Ehre und machte den Park für die Bevölkerung frei zugänglich. "Allen Menschen gewidmeter Erlustigungs–Ort von ihrem Schätzer", ließ der Regent, wie dort noch heute zu lesen ist, zu diesem Anlass über das Eingangstor des Augartens schreiben.

Von 1860 bis 1863 bewohnte der Franz Josephs Bruder Karl Ludwig das Augartenpalais. 1867 zog Obersthofmeister Konstantin Fürst Hohenlohe-Schillingsfürst in den Augarten. Unter ihm und speziell dank seiner Gemahlin entwickelte sich der Besitz zu einem kulturellen Zentrum, in dem berühmte Gäste wie Richard Wagner, Franz Liszt oder Hans Markart verkehrten. Ende des 19. Jahrhunderts wies Franz Joseph seinem Neffen Erzherzog Otto das Palais mitsamt eigener Hofhaltung, Hofküche und Lippizanern als Wohnsitz zu. Otto residierte damit komfortabler als sein älterer Bruder Franz Ferdinand, der nach dem Tod des Kronprinzen Rudolf 1889 immerhin Thronfolger war. Doch ihm wurde lediglich das Palais Modena in der Wiener Herrengasse zugedacht. Warum?

Franz Ferdinand litt an Tuberkulose, sodass es eine Zeit lang ungewiss war, ob er die Thronfolge tatsächlich würde antreten können. Franz Joseph, der zu seinem potenziellen Nachfolger ein distanziertes Verhältnis hatte, band seinen Lieblingsneffen Otto nur zu gern vermehrt in die Regierungsgeschäfte ein, um den kranken Bruder zu entlasten. Es war offensichtlich, dass Franz Joseph den charmanten Otto als Nachfolger bevorzugt hätte. Doch Franz Ferdinand erholte sich von seiner Krankheit. Die alte Ordnung der Thronfolge war somit bereits wiederhergestellt, als 1899 das Palais Augarten für Otto aufwändig renoviert und erweitert wurde. Dort widmete er sich seinen liebsten Hobbys, dem Malen und Fotografieren, bevor er im Alter von 41 Jahren verstarb. Sein Sohn Erzherzog Carl Franz Joseph wurde als Karl I. der letzte Kaiser von Österreich.

Dort, wo einst Erzherzog Otto gelebt hatte, wohnen, lernen und musizieren seit 1948 die Wiener Sängerknaben. Ein Ort der Erlustigung, wie ihn sich Joseph II. gewünscht hatte und zu dem es auch Otto mit seiner fröhlichen Lebensart machte, ist der Augarten noch heute.

Sonja Schmöckel