Weihnachten im Kaiserhaus

Unterm Weihnachtsbaum in Wallsee, Zeitungsillustration, 1916

Aus der Zeit der Regentschaft Franz Josephs, als das bürgerliche Ideal von Weihnachten als Familienfest auch bereits den Hof erobert hatte, sind einige Anekdoten über das Weihnachtsfest in der kaiserlichen Familie überliefert.

Unterm Weihnachtsbaum in Wallsee, Zeitungsillustration, 1916

Die Realität in der kaiserlichen Familie sah jedoch bedeutend trister aus. Die jüngste Kaisertochter Marie Valerie beklagt sich in ihren Tagebüchern über die verkrampfte Stimmung, wenn sich die kaiserliche Familie alljährlich unter dem Weihnachtsbaum versammelte, umgeben von Hofwürdenträgern und Personal, und vor Verlegenheit und Fremdheit keinerlei Gespräch zustande brachte. Erst nach ihrer Heirat, fern vom ernsten Wiener Hofzeremoniell, lernte Marie Valerie ein richtiges Familienleben kennen. Begeistert schrieb sie über ihr erstes Weihnachtsfest nach ihrer Hochzeit mit Erzherzog Franz Salvator aus der toskanischen Nebenlinie der Habsburger: "Die frohe Gemeinsamkeit mit der Dienerschaft machte den heiligen Abend zu einem so glücklichen, wie ich ihn noch nie erlebt. Welch ein Kontrast gegen die Christbäume in der Burg, wo alles so steif und peinlich war!"

Weihnachten war für die persönliche Umgebung des bekannt sparsamen Kaisers, der unter normalen Umständen kaum duldete, dass für ihn persönlich Ausgaben gemacht werden, eine der wenigen Möglichkeiten, dringend notwendige Anschaffungen in seinem persönlichen Haushalt durchzuführen. Es bedurfte oft großen diplomatischen Geschicks der Dienerschaft, die Anfragen aus der Familie bezüglich passender Geschenke für den Kaiser zu koordinieren. Die Wünsche des Kaisers waren dabei erstaunlich bescheiden: z. B. Blechbüchsen für die Aufbewahrung von Zwieback und Keksen im Arbeitszimmer.

Die extreme Sparsamkeit Franz Josephs erstreckte sich auch auf seine persönliche Umgebung. Die längste Zeit bekam die persönliche Dienerschaft des Kaisers keinerlei Geschenke zu Weihnachten. Erst als die „gute Freundin“ des alternden Kaisers, Katharina Schratt, von diesem Umstand erfuhr, setzte sie sich beim Kaiser dafür ein, dass in Zukunft auch das Personal mit Gaben bedacht wurde.

Martin Mutschlechner