Karl V.: Das Reich, in dem die Sonne nie unterging

Leone Leoni
 Arezzo: Büste Kaiser Karls V., um 1555

In der Person Karls erreichten die Habsburger erstmals den Status einer Weltmacht. Angesichts der extremen Ausdehnung des Herrschaftsgebietes über mehrere Kontinente sprachen die Zeitgenossen von einem Reich, „in dem die Sonne nie untergeht“.

Leone Leoni
 Arezzo: Büste Kaiser Karls V., um 1555

Die Machtbasis war Spanien: Da er erstmals in einer Person die Kronen von Kastilien, Navarra und Aragon vereinte, gilt Karl als der erste König von Spanien. Zu seinem Herrschaftsbereich gehörten auch die Königreiche von Neapel, Sizilien und Sardinien sowie die Niederlande als Teil des burgundischen Erbes.

Mit Karl verbunden ist auch die Entstehung des spanischen Kolonialreiches in Süd- und Mittelamerika: Unter seiner Regentschaft erreichten die Zerstörung der altamerikanischen Kulturen sowie die Ausbeutung und Versklavung der indigenen Völker ihren Höhepunkt. Die Aufforderungen des im fernen Europa regierenden Karls an die Conquistadores und Missionare, die Urbevölkerung zu schützen und durch Überzeugung anstatt mit Gewalt zum Christentum zu bekehren, blieben angesichts der brutalen Realität halbherzige Versuche, die spanische Eroberung Amerikas moralisch zu rechtfertigen. 

Kurzfristig gehörte auch Österreich zum weltumspannenden Reich des Kaisers. Als 1519 sein Großvater Maximilian I. starb, erbte Karl die österreichischen Erbländer. Am Reichstag zu Worms 1521/22 übergab er jedoch die Herrschaft über den zentraleuropäischen Stammbesitz der Habsburger an seinen jüngeren Bruder Ferdinand, den Begründer der österreichischen Linie der Habsburger.

Die Linienteilung sollte als Sicherung der Erbfolge dienen. Nachdem die Dynastie in den vorherigen Generationen stets nur einen überlebenden männlichen Nachfolger besessen hatte, bestand stets die Gefahr des Aussterbens und eines Zerfalls des mühsam aufgebauten Reiches. Die Versuche, die gegenseitige Erbfolge zu festigen, führten in jeder Generation zu Heiraten zwischen den beiden Linien. Die beiden Zweige der Dynastie bildeten genealogisch gesehen einen einzigen Familienverband.

Im habsburgischen Familienimperium fiel Karl die Position des Chefs der Familie zu, und die Geschwister waren ihm zu Gehorsam verpflichtet. Sein Bruder Ferdinand stand  lange in Karls Schatten und entwickelte erst langsam ein eigenständiges Profil als Herrscher. Später befand er sich zuweilen auch in Opposition zum mächtigen Bruder.

Die Frauen der Familie waren ebenfalls der dynastischen Politik untergeordnet. Karls  Schwestern und Töchter spielten eine wichtige Rolle als Objekte der Heiratspolitik, übten zuweilen aber auch politische Funktionen als Statthalterinnen aus. Karls Schwester Maria, die in den Niederlanden die habsburgischen Interessen mit größtem Geschick vertrat, sei hier stellvertretend genannt. 

Martin Mutschlechner