Franz Josephs Regentschaft – Teil I: 1848-1867

Leopold Kupelwieser: Erzherzogin Sophie geleitet ihren Sohn Franz Joseph zum Thron, Aquarell, 1848

Der junge Kaiser Franz Joseph I., Lithografie

J. J. Reiner: Das Attentat auf Kaiser Franz Joseph I. am 18. Februar 1853, Ölgemälde, 1853

Revolution und Reaktion: Der junge Kaiser und Österreichs Weg in den Neoabsolutismus.

Leopold Kupelwieser: Erzherzogin Sophie geleitet ihren Sohn Franz Joseph zum Thron, Aquarell, 1848

Der junge Kaiser Franz Joseph I., Lithografie

J. J. Reiner: Das Attentat auf Kaiser Franz Joseph I. am 18. Februar 1853, Ölgemälde, 1853

Das Ergebnis der Bemühungen um eine perfekte Erziehung des Erzherzogs zum Monarchen musste sich 1848 beweisen. Im Zuge der Revolution floh die kaiserliche Familie aus Wien ins mährische Olmütz. Die Provinzstadt war dann auch Schauplatz eines spektakulären Thronwechsels, da angesichts der Ereignisse der Thronverzicht des schwachen Kaisers Ferdinand als Mittel gesehen wurde, der Dynastie wieder die Rolle eines aktiven Parts geben zu können. Der Vater Franz Josephs, Erzherzog Franz Karl, der eigentlich der Nächste in der Thronfolge gewesen wäre, verzichtete nach energischem Zureden seiner Gattin Sophie auf seine Rechte. Sophie sah nun den Moment gekommen, ihren Lebenstraum, ihren Erstgeborenen auf dem Kaiserthron zu sehen, zu verwirklichen.

Bezeichnend war auch die Wahl des offiziellen Namens für den erst 18-jährigen Kaiser. Zunächst war geplant, ihn mit seinem ersten Vornamen als „Franz II.“ (im Andenken an den Großvater Franz I.) den Thron besteigen zu lassen. Durch Hinzunahme seines zweiten Vornamens sollte an den im Volk immer noch populären „Volkskaiser“ Joseph II. erinnert werden, sodass man den für einen Kaiser aus dem Haus Habsburg ungewöhnlichen Doppelnamen „Franz Joseph I.“ wählte.

Der junge Kaiser enttäuschte jedoch sehr bald die Hoffnungen progressiver Kräfte im Reich, denn hinter der jugendlichen Fassade regierten die alten reaktionären Kräfte weiter. Mit großer Härte wurde die Revolution niedergeschlagen, ihre führenden Kräfte verfolgt, ins Exil gedrängt bzw., soweit man ihrer habhaft werden konnte, hingerichtet oder zu langen Haftstrafen verurteilt.

Bezeichnend für anfängliche Unbeliebtheit des Kaisers ist der Attentatsversuch auf Franz Joseph in Wien im Jahre 1853 durch den ungarischen Schneidergesellen János Libényi, der sich für das harte Vorgehen gegen die Revolutionäre in Ungarn rächen wollte. Der Kaiser überlebte leicht verletzt, der Attentäter wurde in Folge standrechtlich durch Erhängen auf der Wiener Hinrichtungsstätte auf der Simmeringer Haide exekutiert. Der Wiener Volksmund dichtete vieldeutig: „Auf der Simmeringer Haad hat’s an Schneider verwaht; g’schieht eam scho’ recht, was sticht er so schlecht!“ An dieses Attentat erinnert die Votivkirche in Wien, die als Dank für die Errettung des jungen Monarchen auf Initiative seines Bruders Ferdinand Maximilian errichtet wurde.

Der Beginn der Regentschaft Franz Josephs war geprägt von der Ablehnung der Forderung nach einer Verfassung. Die Verfassungsversuche der liberalen Kräfte ab 1848 wurden mit dem Silvesterpatent 1851 zunichte gemacht. Die Politik des jungen Kaisers stand im Zeichen des Neoabsolutismus: Franz Joseph verstand sich als absoluter Monarch, der nur Gott verantwortlich sei, regierte alleinverantwortlich das Staatswesen, ohne auf das Regelwerk einer Verfassung oder den Willen des Volkes Rücksicht nehmen zu müssen, was eine Fortführung der repressiven Politik der Ära Metternich bedeutete. In der Dynastie und im staatstragenden Katholizismus wurde der Kern der Staatsideologie gesehen. Franz Joseph sah im Liberalismus, der die Idee der politischen, ökonomischen und konfessionellen Freiheit der Bürger propagierte, und im allgemeinem Fortschritt sowie der Emanzipation der Menschen von feudalen Obrigkeiten eine essentielle Bedrohung seiner Macht.

Seine Gegnerschaft zum Liberalismus zeigte sich auch in seiner konservativen Sicht der Rolle der Kirche. Die traditionelle Loyalität der habsburgischen Dynastie zur katholischen Kirche wurde im Konkordat von 1855 bestätigt. Dies bedeutete das Ende des josephinischen Staatskirchentums, denn der katholische Klerus erhielt wiederum weitgehenden Einfluss auf das Ehe- und Familienrecht sowie auf den Schulunterricht, was als Ohrfeige für die liberalen Kräfte gesehen wurde.

Franz Joseph pflegte einen autoritären Regierungsstil. Die alleinige Entscheidungsmacht sollte in den Händen des Kaisers liegen, der jung und unerfahren von seiner Umgebung –  vor allem seiner Mutter und einigen extrem konservativen Beratern – gelenkt wurde. Franz Joseph war jedoch angesichts seiner enormen Verantwortung oft überfordert. Die ersten Jahre waren geprägt von Willkür, Unsensibilität und politischer Kurzsichtigkeit, die in einige gravierende Fehlentscheidungen mündeten.

Sein größter außenpolitischer Fehler war Österreichs Positionierung im Krimkrieg 1853–1856, als sich ein Streit zwischen Russland und dem zerfallenden Osmanischen Reich um Gebiete am Schwarzen Meer zu einem gesamteuropäischen Konflikt auswuchs. Österreich erklärte sich neutral, wodurch Franz Joseph seinen engsten Verbündeten, den russischen Zaren Nikolaus I., brüskierte, war doch erst wenige Jahre zuvor die ungarische Revolution von 1848/49 nur durch Waffenhilfe Russlands niedergeschlagen worden. Diese massive Unterstützung Russlands hätte die beiden reaktionärsten Regimes in Europa, das russische und das österreichische Kaiserreich,  zusammenschweißen sollen. Diese Allianz zerbrach nun an der Unentschlossenheit Franz Josephs.

Einen weiteren Rückschlag stellte der Verlust der norditalienischen Gebiete während des Risorgimento, der Einigung Italiens, dar. Dieser war zudem auch von einem persönlichen Tiefschlag begleitet: bei der Schlacht von Solferino 1859 übernahm Franz Joseph persönlich das Oberkommando, und als die Schlacht für Österreich desaströs endete, galt die Unfähigkeit Franz Josephs als Heerführer als bewiesen. Österreich hatte in der Folge schwere Gebietsverluste hinzunehmen. Zunächst musste 1859 die Lombardei, die reichste Provinz des Reiches, abgetreten werden, und schließlich ging 1866 auch Venetien verloren.

Eine fundamentale Erschütterung erfuhr Franz Josephs Regierung durch die Niederlage in der Schlacht von Königgrätz 1866. Sie hatte den endgültigen Verlust der habsburgischen Vorherrschaft unter den deutschen Fürsten zur Folge. Preußen übernahm dank der energischen Politik Bismarcks die Führerschaft. Als 1871 das Deutsche Kaiserreich gegründet und damit die Einigung Deutschlands vollendet wurde, setzte sich die „Kleindeutsche Lösung“, ein Zusammenschluss der deutschen Staaten unter preußischer Führung unter Ausschluss Österreichs, durch. Das Österreichische Kaiserreich wurde zu einer Bündnispolitik mit dem wirtschaftlich stärkeren Deutschen Kaiserreich gezwungen. Das geeinte Deutschland wurde endgültig zur dominierenden Großmacht in Mitteleuropa, wogegen die ökonomisch schwächere und politisch instabilere Habsburgermonarchie die Rolle eines „Juniorpartners“ einnehmen musste. 

Martin Mutschlechner