Franz II./I.: Der „Kaiserlehrling“

„Pietro Leopoldo con Famiglia – Firenze Pal. Pitti“ Großherzog Leopold von Toskana mit seiner Familie im Hof des Palazzo Pitti, Miniatur nach Johann Zoffany, 1776

Franz war der lang ersehnte, erste männliche Enkel Maria Theresias, die – als die Nachricht der Geburt in Wien eintraf – voller Freude in eine Vorstellung des Hofburgtheaters platze und in die Menge rief: „Kinder, Kinder, der Poldl hat an Buam!

„Pietro Leopoldo con Famiglia – Firenze Pal. Pitti“ Großherzog Leopold von Toskana mit seiner Familie im Hof des Palazzo Pitti, Miniatur nach Johann Zoffany, 1776

Mit „Poldl“ war Peter Leopold gemeint, Maria Theresias zweitältester Sohn, der – da aus den Ehen des Erstgeborenen Joseph II. keine Nachkommen zu erwarten waren – die Aufgabe der Weiterführung der Dynastie zu übernehmen hatte.

Der „Bua“ (=Bub), Franz, kam 12. Februar 1768 in Florenz zur Welt, wo sein Vater Leopold als Großherzog von Toskana regierte. Seine Mutter war die Bourbonin Maria Ludovica, Infantin von Spanien.

Franz wuchs in Florenz in einer großen Familie – er war das zweitälteste von 16 Kindern seiner Eltern – als Nachwuchshoffnung der Dynastie auf. Kaiser Joseph II. ließ 1784 seinen 16jährigen Neffen nach Wien holen, um ihn als seinen Nachfolger aufzubauen.

Der „Kaiserlehrling“, wie sich Franz einmal selbst bezeichnete, wurde von seinem Onkel einem strengen und umfassenden Erziehungsprogramm unterworfen. Die schleppenden Fortschritte machten Franz bald zum Ziel der schonungslosen Kritik seines Onkels: „Er ist an Wuchs und Stärke zurückgeblieben und in körperlicher Geschicklichkeit und Haltung unterentwickelt … er verkörpert, kurz gesagt, einen Weichling, einen Schwächling ohne Fähigkeiten, gewöhnt geführt zu werden, für einen Staatsmann ungeeignet …  Er spricht undeutlich, verwendet derbe Ausdrücke, hat eine bellende Stimme und verschluckt seine Worte, teils aus Faulheit, teils aus Unachtsamkeit, teils aus unangebrachter Schüchternheit.“

Joseph, selbst ein nüchterner Charakter, jedoch von einem monarchischen Sendungsbewusstsein erfüllt, erkannte zwar die Intelligenz seines Neffen, warf ihm aber sein Phlegma, seine Verstocktheit und mangelnde Willenskraft vor. Franz versuchte seinen fehlenden Esprit durch enormen Fleiß und gesteigertes Pflichtbewusstsein wettzumachen. In den Wiener Anfangsjahren wurde der Grundstein gelegt für Franz’ Selbstverständnis, nach dem der Monarch der „erste Diener des Staates“ sein sollte. Die Frustration führte aber auch zu emotionaler Härte und Entscheidungsschwäche, die den Charakter des späteren Kaisers bestimmen sollten.

Der junge Thronfolger war überfordert: Franz galt als hölzern und wenig geistreich. Er entwickelte zwar durchaus Interesse an den Naturwissenschaften (v. a. Botanik) und war sehr belesen, agierte aber unsicher in der Öffentlichkeit und war von wenig einnehmendem Wesen. Der schüchterne junge Mann wird als extrem mager und knochig beschrieben, was sein trockenes Wesen noch unterstrich.

Onkel Joseph wählte für seinen Neffen auch eine geeignete Gemahlin aus. Die Braut Elisabeth Wilhelmine von Württemberg, die Franz 1788 an den Altar führte, stand in engem Kontakt mit Joseph, der sie sehr schätzte. Als die junge Frau mit ihrem ersten Kind schwanger war, besuchte sie den todkranken Kaiser an seinem Krankenbett, wo sie über den Zustand ihres Mentors derart erschrak, dass sie eine Frühgeburt erlitt, an deren Folgen sie starb. Joseph II., vom unerwarteten Tod der jungen Frau erschüttert, verschied nur wenige Tage darauf.

Der erst 22jährige Franz wurde als nicht reif genug erachtet, seinem Onkel auf den Thron zu folgen, sodass sein Vater Leopold die Regentschaft übernahm und zum Kaiser gewählt wurde. Als Leopold II. nach nur zweijähriger Regentschaft überraschend starb, war der Weg für Franz nun frei. 

Martin Mutschlechner