Rede Hans Kudlichs 1848

Gerade die Gesetze sind nicht erörtert worden, durch welche die persönliche Freiheit des Untertans noch in einer Weise beeinträchtigt werden, dass wir dies als einen Ausnahmezustand, als einen Belagerungszustand der persönlichen Freiheit betrachten können, welchen eine hohe Versammlung, die sich auf den Grund der Volkssouveränität stützt, nimmer dulden kann. (Beifall) Es wird freilich eingewendet, dass die Sache von selbst aufhört, aber ich sage: das kann nicht mit Stillschweigen dem Volke gegeben werden; das muß mit feierlicher Proklamation des österreichischen Volkes geschehen (Beifall), um die Schritte zu vollenden, welche einst ein Monarch Josef begonnen hat. Was ein Monarch seinen Untertanen getan hat, soll das österreichische Volk sich selbst tun, das sollen wir unseren Brüdern tun. (Beifall). Es ist eine Ironie, wenn man hört, dass ein souveränes österreichisches Volk sich selbst eine auf demokratischen Grundlagen zu erbauende Verfassung gibt, und dass in allen Provinzen ein Zustand herrscht, der im wesentlichen von der alten Leibeigenschaft nicht sehr verschieden ist, (Beifall) so ist es im Widerspruche, wenn wir Untertanen neben Staatsbürgern sitzen haben; ich kann diese beiden Begriffe: 'Untertanen' und 'Staatsbürger', nun und nimmer vereinigen.

Nachdem im Juli 1848 der konstituierende Reichstag in Wien mit der Absicht erstmals eine Verfassung auszuarbeiten, durch Erzherzog Johann eröffnet worden war, trug Hans Kudlich (1823 bis 1917) in diesem Rahmen seine Anliegen vor. Der Student und Bauernsohn nutzte die Gelegenheit und stellte einen Antrag auf "Aufhebung des bäuerlichen Unterthänigkeitsverhältnisses". Mit dieser Rede an die Bevölkerung kritisierte er die Vorgangsweise der Regierung.