Meister der St. Georgsgilde (zugeschrieben): König Philipp I. der Schöne als Sechzehnjähriger und seine Schwester Margarete als Vierzehnjährige, um 1495

Philipp „der Schöne“: ein Kind als Garant des Zusammenhaltes von Burgund

Meister der St. Georgsgilde (zugeschrieben): König Philipp I. der Schöne als Sechzehnjähriger und seine Schwester Margarete als Vierzehnjährige, um 1495

Philipp kam am 22. Juni 1478 in Brügge als  Sohn von Maximilian I. und Maria, der Erbtochter der Herzöge von Burgund, zur Welt. Die Geburt des Knaben und zukünftigen Landesherrn Burgunds war wichtig für die Festigung habsburgischer Herrschaft in den durch die Heirat der Eltern Philipps neu erworbenen Gebieten.

Meister der St. Georgsgilde (zugeschrieben): König Philipp I. der Schöne als Sechzehnjähriger und seine Schwester Margarete als Vierzehnjährige, um 1495

Für das bunte Gemenge von ethnisch und kulturell unterschiedlichen Gebieten, die erst vor wenigen Generationen von den aufstrebenden burgundischen Herzögen geeint worden waren, war dies eine schwierige Zeit: nach dem Aussterben der angestammten Dynastie drohte aufgrund von Erbansprüchen verschiedener Fürsten der Zerfall des burgundischen Reiches. Vor allem die französischen Könige aus dem Haus Valois forderten Gebietsabtretungen, denn die burgundischen Herzöge entstammten einer Nebenlinie des französischen Königshauses und waren zum Teil Lehensträger der französischen Krone. Der Habsburger Maximilian begründete seine Ansprüche mit der Heirat mit Maria, der Tochter des letzten Burgunderherzogs Karl des Kühnen. Maximilian wurde jedoch in den burgundischen Territorien als landfremd abgelehnt.

Die schwache Stellung des Habsburgers zeigte sich nach dem plötzlichen Unfalltod Marias 1482, als sich die Stände der burgundischen Territorien weigerten, ihn als vormundschaftlichen Regenten an Stelle seines Sohnes Philipp und somit als ihren Landesherrn anzuerkennen. In Teilen des Landes begannen offene Aufstände gegen Maximilian.

Der fünfjährige Philipp wurde schließlich 1483 als Landesherr akzeptiert. Die Regentschaft sollte von einem Ratskollegium aus Adel und Vertretern der reichen Städte ausgeübt werden und das Kind in Obhut des Stadtrates von Gent aufwachsen. Der Regentschaftsrat argumentierte dies damit, dass auf diese Weise verhindert werde, dass der Thronerbe von seinem Vater zu politischen Zwecken missbraucht werden könnte.

Philipps Vater Maximilian weigerte sich, dies anzuerkennen. Nachdem es ihm gelungen war, 1485 die Stadt Gent zu unterwerfen, wurde Philipp nach Brüssel und später nach Mecheln gebracht, wo der Junge von seiner Großmutter mütterlicherseits, Margarethe von York, erzogen wurde. Der Prinz blieb aber weiterhin unter Aufsicht der Ratsmitglieder. Auch nachdem Maximilian 1488 die Niederlande verlassen hatte, verblieb das heranwachsende Kind dort.

Philipp entwickelte sich als lebendiges Symbol des Zusammenhalts des bunten Komplexes von Territorien des burgundischen Erbes. Seine Funktion war die eines Vermittlers zwischen den Vertretern der Provinzen, die in den niederländischen Generalstaaten eine Versammlung bildeten, und seinem Vater.

Man einigte sich schließlich auf einen Kompromiss: der nunmehr 15-jährige Philipp wurde 1493/94 von den einzelnen Territorien schrittweise als Landesherr anerkannt. Da er in den burgundischen Niederlanden aufgewachsen war, identifizierte sich Philipp stark mit den Interessen des Landes. Sein Wirken war auf Ausgleich ausgerichtet, auch weil er über wenig persönliche Macht verfügte und vom guten Willen der selbstbewussten und reichen niederländischen Provinzen abhängig war. 

Martin Mutschlechner