Heiliges steht hoch im Kurs – Der Handel mit Reliquien im Mittelalter

Ostensorium mit einem Dorn der Krone Christi, Ende des 16. Jahrhunderts

Reliquiar mit Kreuzpartikeln, nach 1350

Mit Gebeinen, Haaren und Nägeln war im Mittelalter viel Geld zu machen – sofern sie von einem Heiligen stammten. Kirchliche Maßregelungen halfen wenig, zumal die Händler oft aus den eigenen Reihen kamen.

Ostensorium mit einem Dorn der Krone Christi, Ende des 16. Jahrhunderts

Reliquiar mit Kreuzpartikeln, nach 1350

Kreditsorgen veranlassten den byzantinischen Kaiser Balduin II. in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts zu einer ungewöhnlichen Maßnahme. Um an Geld zu gelangen, verkaufte er die in seinem Besitz befindliche Dornenkrone Christi an den französischen König Ludwig IX. Die Krone wird seither in der Sainte-Chapelle in Paris, der früheren Palastkapelle der königlichen Residenz, aufbewahrt und stellt eine der zentralen Reliquien der christlichen Kirchen dar. Unter den Habsburgern war vor allem Rudolf IV. ein regelrechter Reliquiensammler.

Die Kirche lehnte den Handel von derart wichtigen religiösen Gegenständen ab und verbot ihn während des gesamten Mittelalters. Erlaubt waren lediglich der Tausch von Reliquien – auch gegen Gebete von Mönchen und Nonnen –, die Schenkung sowie ihr Ankauf von 'Ungläubigen', um sie der Kirche zu übergeben. Da solche Gegenstände eine gewinnbringende Handelsware darstellten, war es üblich, Reliquiengeschäfte als Schenkung oder Diebstahl zu tarnen. Freilich handelte es sich bei vielen Gegenständen um Fälschungen. Der Heilige Bernhard von Siena meinte etwa in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts, es seien derart viele Stücke des Christuskreuzes im Umlauf, dass sie zwölf Ochsen nicht tragen könnten.

Im Reliquienhandel waren vor allem Kleriker tätig, da sie Zugang zu den Kirchen und Klöstern hatten und über den Wert der Gegenstände Bescheid wussten. Die Festsetzung des Preises dürfte allerdings schwierig gewesen sein, da es nicht viele vergleichbare Handelsgüter gab. KirchenhistorikerInnen nehmen an, dass sich die Preise in 'astronomischen Höhen' bewegten. Die Gebeine des Heilige Antonius wurden im frühen Mittelalter beispielsweise in Gold aufgewogen. Der Käufer bzw. die Käuferin wollte schließlich keine Sünde begehen, indem er bzw. sie den Wert einer Reliquie zu gering schätzte. Heute wird der Reliquienhandel durch das katholische Kirchenrecht streng verboten.

Christina Linsboth