Matthias: Aufstieg und Fall

Kaiser Matthias und Kaiserin Anna, Kupferstich, 1613

Als nächstältester Bruder Rudolfs und ranghöchster Erzherzog wurde Matthias von seinen Brüdern Ernst und Albrecht sowie von Erzherzog Ferdinand aus der steirischen Line als Oberhaupt der Dynastie anerkannt. Als Kandidat der innerfamiliären Opposition zu Rudolf war Matthias als dessen Nachfolger am Kaiserthron jedoch nur ein Werkzeug in den Händen seiner Ratgeber.

Kaiser Matthias und Kaiserin Anna, Kupferstich, 1613

Die nächste Phase im Bruderzwist begann: der offene Aufstand gegen Rudolf. 1608 setzte sich Matthias an die Spitze einer Konföderation der ungarischen, mährischen, nieder- und oberösterreichischen Stände. Eine totale Absetzung Rudolfs misslang, da ihm wider Erwarten die böhmischen Stände die Treue hielten. Der Vertrag von Lieben bei Prag 1608 brachte einen Kompromiss: Kaiser Rudolf behielt die Kaiserwürde, das Königreich Böhmen, das Herzogtum Schlesien und die beiden Markgrafschaften Ober- und Niederlausitz, während Mähren, Ungarn, Nieder- und Oberösterreich an Matthias fielen. Die tatsächlichen Gewinner waren jedoch die Stände, denn deren Unterstützung musste Matthias durch das Zugeständnis der Religionsfreiheit für den Adel in den österreichischen Ländern erkaufen. Die oppositionellen Stände schufen außerdem mit dem Horner Bund eine Plattform zur Artikulierung ihrer Forderungen. In Ungarn und Mähren war die konfessionelle Pluralität ohnedies bereits seit längerem staatsrechtlich gesichert.

Nachdem sich Rudolf durch einen missglückten Versuch eines Befreiungsschlages in Form des desaströsen Einfalls des Passauer Kriegsvolkes in Böhmen politisch völlig desavouiert hatte, war nun Matthias am Ziel seiner Wünsche angelangt. Er wurde im Mai 1611 am hilflos zum bloßen Zuschauer degradierten Kaiser Rudolf vorbei zum böhmischen König gewählt. Nach dem bald darauf im Januar 1612 erfolgten Tod Rudolfs wurde Matthias zuletzt auch Nachfolger seines Bruders als Kaiser des Heiligen Römischen Reiches.

Matthias war ein passiver Herrscher, der die Politik gänzlich in die Hände Klesls legte. Dieser versuchte durch wechselnde Allianzen mit den konfessionellen Streitparteien („Kompositionspolitik“) die Gegner gegeneinander auszuspielen. Die dabei gemachten Zugeständnisse waren ein Dorn im Auge der Hardliner im Haus Habsburg, Spanien und der innerösterreichischen Linie, wie auch der katholischen Partei im Reich.

Die Frage der Nachfolge stellte sich erneut, denn seine 1611 geschlossene Ehe mit seiner Cousine Erzherzogin Anna (1585–1618), der Tochter Erzherzog Ferdinands von Tirol, blieb kinderlos.

Somit wurde 1617 Erzherzog Ferdinand von Innerösterreich offiziell zum Nachfolger von Spaniens Gnaden gemacht. Matthias war in diese Entscheidung nicht involviert, was seinen fortschreitenden Machtverlust zeigt. Ferdinand wurde dann auch 1617 in Böhmen und 1618 in Ungarn zum König gewählt. Der Aufstieg dieses kompromisslosen Vertreters der Gegenreformation war eine Kampfansage an die nicht-katholischen Stände der Habsburgermonarchie, was schließlich zur Eskalation führte. Der Prager Fenstersturz im Mai 1618 war der Startschuss für eine Auseinandersetzung, die sich zu einem Krieg von bisher ungekannten Ausmaßen auswuchs.

Matthias war in dieser gefährlichen Zuspitzung wiederum kein Akteur: Kardinal Klesl wurde von Ferdinand gestürzt und inhaftiert. Matthias, inzwischen politisch neutralisiert, musste der Entmachtung seines Masterminds tatenlos zusehen. Von Gicht geplagt, starb er knapp ein Jahr später, am 20. März 1619 in Wien, wohin er nach seiner Machtübernahme den Hof von Prag verlegt hatte.

Kaiser Matthias wurde in der von ihm und seiner Gemahlin Anna gestifteten Kapuzinergruft in Wien bestattet. 

Martin Mutschlechner