Hostien, Schutzpatrone und Mirakelbücher. "Weiße" Magie für Christen

Albrecht Dürer: Rosenkranzfest

Ottavio Miseroni: Reliquienaltärchen, 1620

Sebald Bocksdorfer: Georgsaltar, um 1500

Reliquienkassette, Ende des 16. Jahrhunderts

Magische Kräfte und volkstümliche Rituale beherrschten die Alltagswelt der Bevölkerung. Viele dieser Riten wurden in den Kanon der katholischen Kirche aufgenommen.

Albrecht Dürer: Rosenkranzfest

Ottavio Miseroni: Reliquienaltärchen, 1620

Sebald Bocksdorfer: Georgsaltar, um 1500

Reliquienkassette, Ende des 16. Jahrhunderts

Spätmittelalter und Frühe Neuzeit waren fromme Jahrhunderte, in denen christliche Lehre und Kirche eine wichtige Rolle spielten. In der Alltagswelt der Bevölkerung hatten aber weiterhin Rituale aus dem Bereich der Volksfrömmigkeit große Bedeutung: Der Kirchengang erfolgte eher unregelmäßig und symbolische Handlungen wie das Tragen von magischen Gegenständen – etwa von Amuletten, die Unheil bannen sollten – belegen, wie tief magisch-ritualisierte Praktiken in der Volkskultur verankert waren.

Während der Gegenreformation verbot die katholische Kirche das Tragen solcher Objekte des Abwehrzaubers genauso wie die Lektüre häretischer Literatur und bot stattdessen dem Volk "weiße" und damit legitime Magie an. Eine Mischung aus Frömmigkeit und Aberglauben sollte zu neuer Religiosität führen. Rosenkränze, Hostien- und Heiligenverehrung sowie die Verehrung von Schutz- und Namenspatronen wurden zum fixen Bestandteil der christlichen Glaubens- und Heilslehre.

Man hoffte auf Wunder, die mit Hilfe Gottes geschehen und das irdische Dasein erleichtern sollten. Eine strikte Trennung zwischen profaner und sakraler Kultur konnte sich aber erst langsam herausbilden. So wurde etwa Hostien weiterhin eine Wunderwirkung zugeschrieben, weswegen diese vielfach aus Kirchen gestohlen und Tieren und Menschen verabreicht wurden. Auch in der Hausväterliteratur fanden sich neben Ratschlägen zur Haushaltsführung und Landwirtschaft Anleitungen für Wettervorhersagen und Traumdeutungen. Mirakelbücher sollten ebenfalls die christliche Religiosität festigen. Ihre Berichte von vermeintlichen Gebetserhörungen "bewiesen", dass durch intensiven Glauben und die Verehrung von Heiligen, irdische Übel gebannt werden konnten. Auch gab es Abhandlungen über Möglichkeiten wie vom Satan besessene Personen zu retten seien. Im Gegensatz zur weltlichen Beteiligung an der Hexenverfolgung oblag der Vollzug des Exorzismus allein der Kirche. Ein aufsehenerregender Fall ereignete sich 1583 in Wien: Ein 16-jähriges Mädchen, das vermutlich an Epilepsie litt, konnte von 12.562 Teufeln befreit werden. Unter ihnen soll sich sogar der Lehrer Luthers befunden haben – davon war zumindest der Exorzist und Jesuit Georg Scherer überzeugt.

Anita Winkler