Lebensmittelspekulation in der Frühen Neuzeit – Wie Wetter, Grundherrschaft und Getreidepreise zusammenhingen

Monatsbild aus dem Zyklus "Das Bauernjahr", Gouache, drittes Viertel des 18. Jahrhunderts

Für den Großteil der Bevölkerung brachten Missernten Hunger. Die Grundherren wussten sie mit Unterstützung der Herrschenden zu ihrem Vorteil zu nutzen.

Monatsbild aus dem Zyklus "Das Bauernjahr", Gouache, drittes Viertel des 18. Jahrhunderts

Getreide und Brot waren in der Frühen Neuzeit die wichtigsten Nahrungsmittel und konnten dementsprechend nicht durch andere Lebensmittel ersetzt werden. In Krisenzeiten war es nicht selten der Fall, dass der Großteil der Menschen das gesamte Einkommen für Brot verwenden musste.

Eine solche Krise trat in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts auf, als sehr kalte und schneereiche Winter sowie kühle und regnerische Frühlings-, Sommer- und Herbsttage zu Missernten führten. Die Getreidepreise stiegen daraufhin extrem an: Zwischen 1563 und 1571 erhöhten sich die Preise in Wien um mehr als 600 Prozent. Ein Maurergeselle konnte 1570 für das gleiche Geld nur mehr 14 Prozent der Roggenmenge von 1565 kaufen. Die hohen Getreidepreise hatten zur Folge, dass die Reallöhne und die Kaufkraft sanken und infolgedessen der Verkauf gewerblicher Produkte einbrach und die Arbeitslosigkeit anstieg. Zeitgenossen berichten von enormem Hunger unter der Bevölkerung.

Die Preissteigerungen waren jedoch nicht nur auf Wetterkapriolen zurückzuführen, auch das Verhalten der weltlichen und kirchlichen Grundherren trug maßgeblich zum Anstieg der Getreidepreise bei. Bäuerliche ProduzentInnen, denen es nur erlaubt war, auf bestimmten Wochen- und Jahrmärkten ihre Produkte anzubieten, verschwanden beinahe gänzlich von den Getreidemärkten. Sie mussten nämlich das geerntete Getreide für den Eigenbedarf verwenden bzw. Saatgut zurücklegen. Außerdem belasteten sie die hohen Abgaben an die Grundherren. Auf letztere wirkten sich die Missernten nicht unbedingt schlecht aus: In vielen Fällen horteten die Grundherren das Getreide in ihren Speichern, um es dann teuer an auswärtige Händlerzu verkaufen. Im Gegensatz zu den bäuerlichen UntertanInnen durften sie das Getreide, das aus Eigenanbau oder Zehent stammte, direkt auf den Adelssitzen, in Pfarrhöfen und Klöstern abgeben.

Christina Linsboth