Pietro Leopoldo, Großherzog der Toskana

Pompeo Batoni: Joseph II. und sein Bruder Leopold, Großherzog der Toskana, in Rom, Ölgemälde, 1769

Der junge Regent reiste mit seiner frisch angetrauten Gemahlin und ausgestattet mit einer detaillierten Instruktion, einer Art Verhaltenskatalog seiner Mutter nach Florenz. Als Mitglied der Dynastie blieb er seinem ältesten Bruder Joseph verantwortlich, der in der Toskana einen Vorposten der Österreichischen Monarchie und in Leopold einen Vertreter habsburgischer Interessen sah.

Pompeo Batoni: Joseph II. und sein Bruder Leopold, Großherzog der Toskana, in Rom, Ölgemälde, 1769

Der erst 18-jährige Großherzog begann bald, unterstützt von einer Gruppe von Beratern, ein groß angelegtes Reformwerk, das die Toskana zu einem Musterbeispiel eines aufgeklärten Regiments machte.

Der junge Großherzog handelte im Sinne des Physiokratismus. Hauptforderung dieser volkswirtschaftlichen Lehrmeinung war eine Stärkung der Landwirtschaft zum Zwecke eines systematischen Bevölkerungswachstums, dem eine Steigerung der Wirtschaftskraft folgen sollte. In diesem Sinne wurde der Getreidehandel frei gegeben, eine Reihe von feudalen Zwängen abgeschafft und die Eigentumsrechte der bäuerlichen Grundbesitzer gestärkt. All dies sollte zu einer allgemeinen Kräftigung des Bauernstandes führen. Außerdem wurden durch Urbarmachung, wie die Entwässerung des Sumpfgebietes der Maremma, neue Anbauflächen gewonnen. Begleitet wurde dies von der Einführung modernster Methoden in Ackerbau und Viehzucht.

Auch für das Gewerbe wurden Anreize geschaffen, wie die Aufhebung der Beschränkungen des mittelalterlichen Zunftwesens und eine Vereinheitlichung der Zölle und Abgaben.

Bedeutend war auch die Reform des Steuerwesens, wo das System der Steuerpacht abgeschafft wurde, das zu Ungerechtigkeit und Unterschlagung geführt hatte. Begleitet war dies von statistischen Erhebungen, um über verlässliche Daten zu verfügen und um sich ein Bild von der wirtschaftlichen Lage des Landes machen zu können.

Eine neue Gemeindeordnung sollte die Selbstverwaltung der Kommunen stärken. Die Bewohner des Landes sollten ein Bewusstsein als Staatsbürger entwickeln und sich nicht als rechtlose Untertanen fühlen. Bezeichnend dafür war die Abschaffung der Armee, die durch eine rein defensiven Zwecken dienende Bürgermiliz ersetzt wurde.

Die Toskana wandelte sich in etwas weniger als zwei Jahrzehnten von einem stagnierenden Kleinstaat, der nur noch von den Resten seiner einstigen Bedeutung als Zentrum der Renaissance lebte, zu einem modernen Flächenstaat mit einer Vorreiterrolle im aufgeklärten Europa.

Man erkennt deutlich die Ähnlichkeit mit den Absichten seines Bruders in Österreich. Leopold ging bei der Umsetzung seiner Reformen allerdings vorsichtiger und weniger überstürzt vor. Der Großherzog berücksichtigte die gewachsenen Strukturen und gewann dafür eine breitere Unterstützung für seine Modernisierungen. Im Gegensatz zum eher despotischen Zugang Josephs II., der seine Maßnahmen von oben herab dekretierte, bemühte sich Leopold um die Mitwirkung lokaler Interessenvertretungen, seien es die adeligen Stände oder die Kommunen.

1778 unternahm Leopold eine Reise nach Wien. Er folgte dabei einer Einladung seiner Mutter, die in Leopold einen Verbündeten gegen ihren Mitregenten Joseph zu finden hoffte. Bei seinem Aufenthalt am Wiener Hof gewann er ernüchternde Eindrücke in die verfahrene Situation und in die innerfamiliären Konflikte, die er in persönlichen Gedenkschriften festhielt. Vor allem seine Beobachtungen, die er unter dem Titel “Stato della famiglia“ auf Italienisch in einer geheimen Kurzschrift abgefasst hatte, sind heute eine wichtige Quelle für Historiker.

Es zeichnete sich auch bald ein Konflikt mit dem Oberhaupt der Dynastie, Kaiser  Joseph, ab, der Leopolds ältesten Sohn Franz zu sich nach Wien holen ließ, um diesen als Nachfolger aufzubauen, da abzusehen war, dass Joseph kinderlos bleiben sollte. Joseph plante auch, die Toskana in das Gesamtreich einzubinden, und zwang Leopold zum Versprechen, dass nach dessen Tod das Land an die Hauptlinie zurückfallen solle. Doch sobald Leopold als Nachfolger seines Bruders die Regierung übernommen hatte, widerrief er diese Abmachung, und sein Sohn Ferdinand übernahm die Herrschaft in der Toskana.

Joseph verhinderte auch die Einführung einer Verfassung in der Toskana, die Leopold ausarbeiten ließ. Diese hätte eine Aufwertung der ständischen Selbstverwaltung, die Befreiung der Bauern aus der Grundherrschaft und die Abschaffung der Zensur enthalten. Dieser revolutionäre Plan ging dem kaiserlichen Bruder zu weit, der hier einen unerwünschten Präzedenzfall fürchtete.

Ein Erfolg Leopolds war jedoch das Inkrafttreten des Strafgesetzbuches 1786, in dem die  Abschaffung der Todesstrafe und der Folter festgeschrieben wurde. Das daraus sprechende aufgeklärte Rechtsverständnis zeigt sich auch in den generell milden Strafen wie auch im Fehlen des Verbrechens der Majestätsbeleidigung. 

Martin Mutschlechner