Franz Stephan als Begründer der Dynastie Habsburg-Lothringen

Unbek. Künstler: Franz I. Stephan von Lothringen, Pastell auf Pergament, um 1757/58

Franz Stephan ist der Stammvater des Hauses Habsburg-Lothringen. Die Entstehung der neuen Dynastie wurde jedoch aus habsburgisch-österreichischer Sicht nicht unbedingt als Bruch gesehen. Maria Theresia bildete den Verknüpfungspunkt: Vor und nach Maria Theresia spricht man von „den Habsburgern“.

Unbek. Künstler: Franz I. Stephan von Lothringen, Pastell auf Pergament, um 1757/58

Maria Theresia wurde und wird in der patriotischen Geschichtsschreibung als strahlende, natürliche Herrscherin über ihre Länder dargestellt. Ihre 40-jährige Regentschaft gilt als Reformzeitalter, das Österreich bis heute in vielen Aspekten prägt, die „große Landesmutter“ als „Lichtgestalt“.

Geplant war es jedoch anders: Maria Theresia wäre nach den Plänen ihres Vaters Kaiser Karls VI. zwar die Erbin der Habsburgermonarchie gewesen, die Regentschaft hätte aber in ihrem Namen von ihrem Gatten geführt werden sollen. Daher machte sich der Wiener Hof auf die sorgfältige Suche nach einem passenden Gemahl.

Diesen fand man in Franz Stephan, der konsequent als Nachfolger Karls aufgebaut wurde. Der Kaiser wollte einen Schwiegersohn, der prinzipiell für die Nachfolge im Heiligen Römischen Reich infrage kommen könnte. Der Lothringer, aus einer alten, wenn auch nicht sehr mächtigen Dynastie stammend, konnte auf eine ehrwürdige Ahnenreihe zurückschauen, gehörten doch die Herzöge von Lothringen zu den älteste Fürstenfamilien des Heiligen Römischen Reiches. Unter den Vorfahren Franz Stephans finden sich auch viele Habsburger: So war Erzherzogin Eleonore, seine Großmutter väterlicherseits, eine Schwester Kaiser Leopolds I., des Großvaters von Maria Theresia.

Die Heirat zwischen Maria Theresia und Franz Stephan, die in populären Darstellungen gerne als romantische Liebesheirat präsentiert wird, hatte eine lange Vorgeschichte, die als „Grand Affaire de Lorraine“ die diplomatische Szene Europas über Jahre beschäftigte. Ursprünglich war Franz Stephans älterer Bruder Clemens als Gemahl für die habsburgische Erbtochter ausersehen – dieser verstarb jedoch jung. Daher rückte Franz Stephan auf. Bereits 1723 wurde der damals knapp 15-jährige Lothringer als Schwiegersohn in spe in die Familie Habsburg eingeführt. Es kam zum ersten Treffen mit Maria Theresia, die damals gerade erst sechs Jahre alt war. In zahlreichen Biografien wird dennoch eine frühe Sympathie zwischen den beiden herausgestrichen, trotz des deutlichen Altersunterschiedes von neun Jahren.

Die Heirat mit Maria Theresia, die 1736 gefeiert wurde, bedurfte der Zustimmung der Großmächte und war mit dem Verzicht Franz Stephans auf seine lothringischen Stammlande verbunden. Nachdem er bei der Unterzeichnung der Verzichtserklärung darüber erzürnt mehrmals die Feder weggeworfen hatte, wurde er lakonisch vor die Wahl gestellt: „Keine Unterschrift, keine Erzherzogin!“

Als Ersatz für den Verlust Lothringens 1735 wurde ihm die Herrschaft in der Toskana in Aussicht gestellt. Er musste hierfür bis 1737 warten, als der letzte Herrscher aus dem Haus Medici, Gian Gastone, kinderlos verstorben war.

Im Exil am Hof seines Schwiegervaters Karl VI. wurde Franz Stephan mit den einträglichen Ämtern eines Statthalters in Ungarn und in den Niederlanden bedacht. Auch wurde er mit militärischen Posten betraut und im Türkenkrieg von 1737–1739 zum Generalissimus der habsburgischen Streitkräfte ernannt. Der Kriegszug wurde jedoch zu einem Fiasko, in dem Österreich den Großteil der Territorien wieder verlor, die 1718 im Frieden von Passarowitz gewonnen worden waren. Franz Stephan war als Folge davon als Feldherr desavouiert – er nahm nie wieder ein militärisches Kommando an.

Nach dem plötzlichen Tod Kaiser Karls VI. im Jahre 1740 wurde Franz Stephan nun offiziell Mitregent seiner Gattin Maria Theresia. Anfänglich stark in die Regierungsgeschäfte involviert, wurde er von seiner energischen Gemahlin immer mehr an den Rand gedrängt. Seine Qualitäten als Regent werden in der Literatur unterschiedlich bewertet – möglicherweise um die Lichtgestalt Maria Theresia umso stärker in den Vordergrund zu rücken. 

Martin Mutschlechner