2. September 1822 – Brasilien wird ein selbständiges Kaiserreich

Dom Pedro I. als Kaiser von Brasilien

Leopoldina am Höhepunkt ihres politischen Wirkens: "Der Apfel ist reif, pflücke ihn" schrieb sie an ihren zögernden Gemahl.

Da ich mich auf länger als eine Woche von dieser Hauptstadt entfernen muss, um die Provinz São Paulo zu besuchen, und da es angebracht ist, dass zum Wohle der Bevölkerung und ihrer individuellen und öffentlichen Ruhe und Sicherheit die Erledigung der Geschäfte durch diese meine zeitweilige Abwesenheit nicht leidet, halte ich es für richtig, dass meine Minister und Staatssekretäre auch weiterhin an den vorgeschriebenen Tagen wie bisher im Palast unter dem Vorsitz der Kronprinzessin des Vereinigten Königreiches, meiner sehr geliebten und geschätzten Gemahlin, mit der Abwicklung der ordentlichen Geschäfte der verschiedenen Staatssekretariate und öffentlichen Ämter fortfahren, die in meinem Namen, als ob ich anwesend wäre, erledigt werden. Ich halte es auch für richtig, dass mein Staatsrat ebenfalls mit seinen Sitzungen an den festgelegten Tagen oder wann es notwendig sein sollte unter dem Vorsitz derselben Kronprinzessin fortfahren kann, welche schon jetzt dazu ermächtigt wird, mit den erwähnten Ministern und Staatssekretären die Maßnahmen zu ergreifen, die zum Heil und zur Rettung des Staates notwendig und dringend sein sollten. Und von allem wird sie mir sofort Mitteilung machen, damit es meine Billigung und Bestätigung erhält, denn ich erwarte, dass sie nichts unternehmen wird, was nicht im Einklang mit den bestehenden Gesetzen und den echten Staatsinteressen steht.
Der Minister und Staatssekretär für die Geschäfte des Königreiches und des Auslandes möge es so verstehen und die erforderlichen Durchführungsmaßnahmen ergreifen lassen.

Im Palast zu Rio de Janeiro, am 13. August 1822, mit dem Zeichen S.K.H. des Prinzregenten

Bestallungsurkunde vom 13. August 1822

Dom Pedro I. als Kaiser von Brasilien

Als Kronprinz Pedro Mitte August 1822 zu einer Inspektionsreise nach São Paulo reiste, wurde Leopoldina mit Bestallungsurkunde vom 13. August 1822 zu seiner Vertreterin, zur Regentin in seiner Abwesenheit erklärt. Mit dieser Urkunde hatte Leopoldina alle Vollmacht politische Entscheidungen zu treffen.

Schon wenige Tage nach der Abreise von Pedro versuchten die Cortes die brasilianischen Regierungsorgane aufzulösen, und die einzelnen Provinzen (Kapitanien) in den Status von Republiken zu setzen. Leopoldina berief unverzüglich den Staatsrat ein und innerhalb von wenigen Stunden wurde am 2. September 1822 die Unabhängigkeit Brasiliens vom Mutterland Portugal beschlossen, niedergeschrieben und von Leopoldina unterzeichnet.

Es war eine reine Formsache, dass Pedro dieses Dokument am 7. September 1822 noch unterzeichnete und ratifizierte.

In den Straßen von Rio formierten sich unterdessen jubelnde Gruppen, und wie es ihnen "nossa mãe" in den vergangenen Monaten immer wieder gesagt hatte, riefen sie einander den neuen Gruß zu: "Sou Brasileiro, sou Brasileira", ich bin Brasilianer!

Am 12. Oktober 1822, an seinem 24. Geburtstag, wurde Pedro gekrönt. Er nahm den Titel eines konstitutionellen Kaisers und ständigen Verteidigers von Brasilien an.

Leopoldina bemühte sich dank ihrer Kontakte zum Wiener Hof, dass die Unabhängigkeit Brasiliens international anerkannt wurde,Sie schrieb auch ihrem Schwiegervater, Dom João VI. nach Lissabon. "...seien Sie doch der Friedensengel und ratifizieren den Vertrag und zeigen Sie sich damit der ganzen Welt als der großzügigste Vater...".

Nach der Anerkennung der Unabhängigkeit Brasiliens durch Portugal 1825 begann für Leopoldina das letzte Lebensjahr mit einem freudigen Ereignis, sie brachte den Thronfolger Pedro zur Welt.

Gloria Kaiser