Willkommen bei den Biedermeiers!

Leopold Fertbauer: Familienbild des Kaiserhauses um den Herzog von Reichstadt, Ölgemälde, 1826

Kaiser Franz II./I. auf Besuch bei den Biedermeiers – so könnte die 'volksnahe' Seite des Herrschers beschrieben werden. Einmal völlig anders, ganz im Sinne der bürgerlichen Ideale, zeigte sich der Herrscher in der Rolle des Familienvaters.

Leopold Fertbauer: Familienbild des Kaiserhauses um den Herzog von Reichstadt, Ölgemälde, 1826

In der Biedermeierzeit orientierte sich das Bürgertum an familiären und häuslichen Werten. Diese Sozialformen waren auch deshalb en vogue, weil das repressive System Metternich das öffentliche Geschehen strikt überwachte. Als charakteristisch für das Biedermeier galt der Rückzug ins Private, die Pflege der innerfamiliären Beziehungen und die Familie als privater Binnenraum, welcher gleichzeitig die tragende Säule der Gesellschaft bilden sollte. Fleiß, Gehorsam und Wohlerzogenheit waren die Werte, die vernünftige StaatsbürgerInnen verfolgen sollten.

Familienporträts erlebten im Biedermeier ihre Hochblüte, denn so konnte das Familienidyll für die Um- und Nachwelt dokumentiert werden. Medienwirksam ließ sich auch Kaiser Franz II./I. als Vater und Großvater in bürgerlicher Einfachheit inszenieren. Das Familienbildnis aus dem Jahre 1826, hergestellt von Leopold Fertbauer, unterscheidet sich kaum von den herkömmlichen Darstellungen einer bürgerlichen Familie. Als Hausherr zeigte sich der Kaiser im Kreise seiner engsten Familie – eine derart 'bürgernahe' Darstellungsweise blieb allerdings die Ausnahme.

Mit der Idee der bürgerlichen Familie wurden patriarchale Prinzipien fortgesetzt: Unter Berufung auf die angeblich naturgegebene Beschaffenheit der Geschlechter wurde dem Mann weiterhin die Vormachtstellung zugesichert: Als Vater galt er als 'natürliches' Oberhaupt einer von Gott gewollten Ordnung, auf die sich auch die Herrscher des Hauses Habsburg beriefen. Im ländlichen Bereich genoss der Hausvater als Herr über Familie, Gesinde und Gesellen ebenfalls Privilegien. Der Hausherr repräsentierte und vertrat die Familie rechtlich nach außen. Dem gebildeten Hausherrn stand die Ehefrau gegenüber; sie hatte für die Familienharmonie zu sorgen, kümmerte sich um Haushalt und Kindererziehung. Das Standesethos des Bürgertums verbot die Erwerbstätigkeit der Frau. Der Hausherr hatte jedoch die 'Befehlsgewalt' über die Familie und sorgte für das Einkommen. Bürgerliche Häuslichkeit und Familien waren das Privileg der oberen Bevölkerungsschichten. Etwa 80 Prozent der Menschen zählten jedoch zu den Weniger- oder Nicht-Privilegierten. Taglöhner, Mägde, Knechte und Gesellen hatten kaum die Möglichkeit zu heiraten, da sie keine Besitzungen und Mitgift vorzuweisen hatten und zudem die Zustimmung ihres Hausherrn benötigten.

Anita Winkler