Salomon Kleiner: Ansicht des Fürstlich Liechtensteinischen Stadtpalais („Majoratspalais“) in der Bankgasse in Wien, Kupferst

Bernardo Bellotto, gen. Canaletto: Das Liechtensteinische Gartenpalais in der Rossau - Gartenseite, Gemälde 1759/60

Jan Thomas (?): Gundakar Fürst Dietrichstein in phantastischer Kostümierung

Wien – die Stadt als Bühne adeliger Selbstdarstellung

Salomon Kleiner: Ansicht des Fürstlich Liechtensteinischen Stadtpalais („Majoratspalais“) in der Bankgasse in Wien, Kupferst

Bernardo Bellotto, gen. Canaletto: Das Liechtensteinische Gartenpalais in der Rossau - Gartenseite, Gemälde 1759/60

Jan Thomas (?): Gundakar Fürst Dietrichstein in phantastischer Kostümierung

Der Wiener Hof war eine Art aristokratischer 'melting pot'. In Wien trafen Adelige aus allen Teilen des habsburgischen Reiches auf Standesgenossen mit hohen Ambitionen. Hier musste man Präsenz zeigen, denn die Konkurrenz schlief nicht.

Salomon Kleiner: Ansicht des Fürstlich Liechtensteinischen Stadtpalais („Majoratspalais“) in der Bankgasse in Wien, Kupferst

Bernardo Bellotto, gen. Canaletto: Das Liechtensteinische Gartenpalais in der Rossau - Gartenseite, Gemälde 1759/60

Jan Thomas (?): Gundakar Fürst Dietrichstein in phantastischer Kostümierung

Das Leben in der Residenzstadt bot verschiedenste Vorteile, vor allem aber war man am Ort des Geschehens. Eine supranationale, durch einen einheitlichen Lebensstil definierte Adelsgesellschaft war im Entstehen, die sich kulturell am romanischen Raum orientierte. Vor allem italienische Komponisten, Architekten und Maler setzten, unterstützt von adeligen Mäzenen, künstlerische Trends. Auch der Adel zeigte sich international: man parlierte untereinander je nach Mode und Geschmack italienisch, spanisch oder französisch. Eine Sitte, die sich im reichen Gebrauch von Fremdwörtern in der barocken deutschen Sprache niederschlug – und teilweise im Wiener Dialekt noch in Resten fortlebt.

Für standesbewusste Aristokraten war nun nicht mehr der alte Stammsitz inmitten weitläufiger Ländereien, sondern ein dem direkten Vergleich mit Konkurrenten gleichen Standes ausgesetzter Stadtsitz der bevorzugte Schauplatz adeliger Repräsentation. In Wien musste man ein repräsentatives Palais errichten und einen großartigen Haushalt führen, denn hier fand das gesellschaftliche Leben statt. Die führenden Familien übertrumpften einander im Bau monumentaler Stadthäuser und prachtvoller Gartenpaläste vor den Toren der Stadt Wien, für die die besten Architekten und Ausstattungskünstler beschäftigt wurden. Denn wer nicht wie ein Fürst oder Graf wohnte und repräsentierte, wurde schon nicht mehr als solcher angesehen.

Nur die reichsten Familien konnten hier mithalten. Viele ehrgeizige, aber ökonomisch schwächer ausgestattete Adelige lebten auf Kredit, und ihr gesellschaftliches Auftreten stand auf tönernen Beinen. Ein aus finanziellen oder gesellschaftlichen Gründen erzwungener Rückzug aufs Land wurde als Prestigeverlust gewertet. Das Landleben wandelte sich vom adeligen Ideal zum Sinnbild für Langeweile und Provinzialität. Die riesigen Landgüter draußen in den Provinzen wurden nur für sommerliche Landaufenthalte und herbstliche Jagdpartien aufgesucht, ansonsten dienten sie als ökonomisches Fundament für die Stellung bei Hof: Das Geld wurde auf den Latifundien von den untertänigen Bauern in harter Arbeit erwirtschaftet – und von den adeligen Grandseigneurs auf der Bühne des Wiener Hofes mit großer Geste ausgegeben.

Martin Mutschlechner