Raubdrucke im staatlichen Auftrag

Johann Thomas von Trattner, Stich von J. E. Mansfeld nach einem Gemälde von J. Hickel, 1770

Nationalbibliothek Wien, barocker Prunksaal

Stift Admont: Innenansicht Stiftsbibliothek

Stift Admont: Blick von oben in die Stiftsbibliothek

Noch Mitte des 18. Jahrhunderts war der Buchmarkt der Habsburgermonarchie rudimentär entwickelt, außerhalb Wiens existierten nur wenige effiziente Druckereien – bis der ehemalige Gänsehirt Thomas von Trattner sein Verlagsimperium aufbaute.

Unterdessen aber, lieber Trattner, sagen Wir ihm, daß es unser Staatsprinzip sei, Bücher hervorbringen zu lassen, es ist fast gar nichts da, es muß viel gedruckt werden. Er muß Nachdrucke unternehmen, bis Originalwerke zustande kommen. Drucke Er nach. Sonnenfels soll ihm sagen, was.

Maria Theresia soll bei einer Audienz Thomas Trattner zum Nachdruck ermutigt haben.

Joseph II. hob 1780 die Zensur weitgehend auf und ordnete an „Kritiken, wenn es nur keine Schmähschriften sind, sie mögen nun treffen, wen sie wollen, vom Landesfürsten an, bis zum Untertan“, nicht mehr zu verbieten, wenn den der Autor „seinen Namen darzu drucken läßt, und sich also für die Wahrheit der Sache dadurch als Bürge darstellt.

In einem Staate, in dem von jeher die Liebe zur Lektüre herrschte, in dem man von jeher die Schriften aller aufgeklärten Nationen las, […] wo Wißbegierde dem starken Damm seit langer Zeit entgegen arbeitete, und dem Durchbrechen bereits nahe war; in so einem Staat mußte auf die Wegräumung der Hindernisse, und die Erweiterung der Preßfreyheit nothwendig eine Überschwemmung von Broschüren folgen.

Aloys Blumauer kommentierte den sprunghaften Anstieg insbesondere der Broschüren und kleinen Flugschriften im Zuge der Aufhebung der Zensur 1780.

Denn nur diese beschäftiget sich damit, durch unbemerkte Nachspürung die gefährlichen Anlagen aller Gattung, ehe solche zur Reife kommen, zu enthüllen und arbeitet mithin den heimlichen Feinden des Staats und der inneren Sicherheit um so nachdrücklicher entgegen, als diese sich lediglich gegen die öffentliche Aufsicht sicherstellen und nicht wissen, daß sie insgeheim beobachtet werden.

In der „Geheimen Instrukzion“ von 1786 befürwortete Joseph II die Einrichtung einer Geheimpolizei.

Johann Thomas von Trattner, Stich von J. E. Mansfeld nach einem Gemälde von J. Hickel, 1770

Nationalbibliothek Wien, barocker Prunksaal

Stift Admont: Innenansicht Stiftsbibliothek

Stift Admont: Blick von oben in die Stiftsbibliothek

Thomas von Trattner (1717–1798), einer der ersten österreichischen Großunternehmer, erwarb 1748 eine Buchdruckerei in Wien. Er wurde Hofbuchdrucker und schließlich sogar in den Adelsstand erhoben. Trattner lebte vor allem von Nachdrucken – Raubdrucke waren eine damals übliche, weil wirtschaftlich günstige Praxis, da die Eigenproduktion gering blieb und das Interesse an Büchern und am Lesen gesteigert werden sollte. Thomas von Trattner erhielt 1752 von Maria Theresia den Auftrag, die Schul- und Lehrbücher für die gesamte Monarchie zu drucken. Er baute nicht nur den Trattnerhof am Graben in Wien als Zentrale seines Unternehmens auf, sondern unterhielt auch Filialen in allen Teilen des Landes und verbreitete Aufklärungsliteratur sowie wissenschaftliche Bücher, vor allem auf dem Gebiet der Medizin.

Bald entstanden weitere Verlagshäuser in der Residenzstadt, die Buchproduktion wuchs enorm, in Wien erschienen 110 verschiedene Periodika – Journale, Zeitungen, Magazine und Almanache. Der Lesehunger des gebildeten Publikums wurde allerdings durch die Zensur eingeschränkt. Ein Verzeichnis der verbotenen Bücher wurde 1777 sogar selbst verboten, da es mit seiner Auflistung von Titeln als Anleitung zum Kauf verbotener Literatur missbraucht werden konnte. Hausierer verbreiteten alltägliche Schriften, doch wurde 1789 auch diese Vertriebsart verboten. Als Großbibliothek bestand – neben zahlreichen Adels- und Klosterbibliotheken – vor allem die Wiener Hofbibliothek, die mit 170.000 Bänden die größte des deutschen Sprachraums war.

Mit der kurzfristigen Aufhebung der Zensur unter Joseph II. im Jahr 1780 kam es zu einer explosionsartigen Steigerung der literarischen Produktion, doch wurde bald wieder die polizeiliche Überwachung der BürgerInnen verschärft, was ein Ende der Lesefreiheit bedeutete. Leopold II. verschärfte die Zensur ein weiteres Mal, dennoch hielt die Literatur der Aufklärung – mit einiger Verspätung gegenüber Westeuropa – nun auch in der Donaumonarchie Einzug. Auch im Vormärz herrschten strenge Zensurvorschriften. Im 19. Jahrhundert erfolgten eine Spezialisierung des Verlagswesens und eine Professionalisierung und Kommerzialisierung des Buchmarkts.

Julia Teresa Friehs