Johann Georg Wolffgang: Joseph I. in Allegorie, Kupferstich, um 1705

Mathias Steinl: Titelkupfer anlässlich der Erbhuldigung der niederösterreichischen Stände für Joseph I. 1705

La Venerie Imperiale sur la Hauteur de Schönbrunn (= Erstes Projekt für Schloss Schönbrunn), 1721, Kupferstich von Johann Adam Delsenbach nach Johann Bernhard Fischer von Erlach

Joseph I.: Der österreichische „Sonnenkaiser“

Johann Georg Wolffgang: Joseph I. in Allegorie, Kupferstich, um 1705

Mathias Steinl: Titelkupfer anlässlich der Erbhuldigung der niederösterreichischen Stände für Joseph I. 1705

La Venerie Imperiale sur la Hauteur de Schönbrunn (= Erstes Projekt für Schloss Schönbrunn), 1721, Kupferstich von Johann Adam Delsenbach nach Johann Bernhard Fischer von Erlach

Der neu gewonnene Großmachtstatus musste nun augenfällig demonstriert werden. Joseph, der Habsburgs Antwort auf den französischen Sonnenkönig darstellte, sollte – plakativ formuliert – zum österreichischen Sonnenkaiser stilisiert werden.

Johann Georg Wolffgang: Joseph I. in Allegorie, Kupferstich, um 1705

Mathias Steinl: Titelkupfer anlässlich der Erbhuldigung der niederösterreichischen Stände für Joseph I. 1705

La Venerie Imperiale sur la Hauteur de Schönbrunn (= Erstes Projekt für Schloss Schönbrunn), 1721, Kupferstich von Johann Adam Delsenbach nach Johann Bernhard Fischer von Erlach

Am Wiener Hof suchte man nach neuen Formen, um den Anspruch auf imperiale Macht in Kunst und Propaganda Ausdruck zu verleihen. Vor diesem Hintergrund ist auch das spektakuläre „Erste Projekt“ für Schloss Schönbrunn zu sehen, das der kaiserliche Hofarchitekt Johann Bernhard Fischer von Erlach ausgearbeitet hatte: Der gigantomanische Entwurf ist weniger als Plan für ein real zu erbauendes Schloss zu deuten, sondern als eine gekonnte Darstellung habsburgischer Allmachtsfantasien mit den Mitteln barocker Architektursprache.

Es wehte ein frischer Wind in der sonst eher biederen Wiener Hofburg. Um Joseph bildete sich mit dem „Jungen Hof“ des Kronprinzen die zukünftige Führungsmannschaft, deren bekanntestes Mitglied Prinz Eugen von Savoyen war. Dieses außergewöhnliche militärische Genie hatte auch Anteil an der Vermittlung des westeuropäischen Gedankengutes der Aufklärung nach Wien.  

Der Spanische Erbfolgekrieg war das bestimmende Thema am Wiener Hof um 1700. Der österreichische Zweig der Habsburger machte sich Hoffnung auf das Erbe des spanischen Zweiges der Dynastie. Deren Weltreich stellte zwar nur mehr einen Schatten der einstigen Bedeutung dar und dessen letzter Herrscher aus dem Haus Habsburg, Karl II., war schwer gezeichnet von der über Generationen gepflegten Inzucht in der Familie. Dennoch galt die spanische Krone als eine der vornehmsten Europas und die Wiener Habsburger träumten von einer Vereinigung der beiden Linien.

Josephs jüngerer Bruder Karl wurde als Thronprätendent nach Spanien geschickt. Der Plan war, mit Karl eine neue habsburgische Linie in Spanien entstehen zu lassen. Dies geschah in Übereinstimmung mit den Alliierten Großbritannien und den Niederlanden, die im Sinne der Europäischen Gleichgewichtspolitik eine Aufteilung des spanischen Erbes forderten. Der habsburgische Anspruch ließ sich aber nicht ohneweiteres durchsetzen, und ein langwieriger und kostspieliger Krieg zwischen den Großmächten Europas erfasste weite Teile des Kontinents.

Der regierende Kaiser Leopold und sein Kronprinz Joseph machten sich zudem Hoffnung auf Gebietsgewinne in Italien. Man plante unter dem Deckmantel des imperialen Kaisergedankens eine Expansion habsburgischer Herrschaft: Der Herrscher des Heiligen Römischen Reiches sollte demnach wieder zur Führungsmacht auf der Apenninenhalbinsel werden.

Im Jahre 1705 starb Kaiser Leopold und sein Sohn Joseph trat die Regentschaft an. Joseph entwickelte ein starkes dynastisches Selbstbewusstsein und teilweise überzogene Vorstellungen: Aufgrund der militärischen Erfolge von Prinz Eugen gegen die Franzosen stellte der Wiener Hof den Hegemonieanspruch des Sonnenkönigs in Frage. Das Ziel war es, durch eine prononcierte Reichspolitik die Herrschaft des Kaisers über die Reichsfürsten zu stärken und das Heilige Römische Reich als habsburgisches Gegenimperium zu positionieren.

Als Regent der Habsburgermonarchie begann er vielversprechend und startete ein Reformprogramm, dass eine Vereinheitlichung der heterogenen Länder der Habsburgermonarchie zum Ziel hatte. Viele der angedachten Reformvorhaben wurden jedoch nicht verwirklicht, da das wechselnde Schlachtenglück im Spanischen Erbfolgekrieg alle Kräfte band.

Die Situation hatte sich inzwischen verkompliziert: Die junge Herrschaft Josephs wurde durch einen Adelsaufstand in Ungarn geschwächt, der nach dem Anführer der Revolte Rákóczi-Aufstand genannt wird. Der ungarische Magnat Franz Fürst Rákóczi führte einen Freiheitskrieg (aus ungarischer Sicht) gegen das allzu strenge Regiment der Habsburger, die das von der Türkenherrschaft befreite Land eng an Wien binden wollten und eine Reorganisation nach streng absolutistischen Prinzipien durchzuführen begannen.

Dies bedeutete einen Zweifrontenkrieg, denn für die Bekämpfung des Aufstandes wurden Truppen benötigt, die an der westeuropäischen Front fehlten. Die ungarischen Rebellen agierten nämlich äußerst erfolgreich und brachten weite Teile des Landes unter ihre Kontrolle. Die Kuruzzen genannten Streifscharen fielen plündernd in österreichische, steirische und mährische Grenzgebiete ein. 1707 erklärten die aufständischen Adeligen am Landtag von Ónod Joseph als König von Ungarn für abgesetzt. Erst nach dem Tod Josephs gelang es Karl, nach Zugeständnissen im Frieden von Szatmár 1711 den Aufstand zu beenden und Ungarn wieder enger an die Habsburger zu binden.

Durch den plötzlichen Tod des erst 33-jährigen Kaisers aufgrund einer Pockeninfektion ging der Monarchie 1711 ein Hoffnungsträger verloren. Das habsburgische Großmachtstreben stürzte in eine Krise: Josephs Bruder Karl war nun der einzige lebende männliche Habsburger und außerdem sein Nachfolger als Kaiser und Regent der österreichischen Monarchie. Da Karl weiterhin als Anwärter für den spanischen Thron galt, bedeutete dies für das mit Habsburg verbündete England zu viel Machtkonzentration in einer Hand. Im Sinne der Gleichgewichtspolitik wurde Karl gezwungen, auf Spanien zu verzichten. Der spanische Traum – die  Wiederherstellung habsburgischer Herrschaft in der spanischen Monarchie – war ausgeträumt.

Joseph I. ist aufgrund seiner kurzen Regentschaft im historischen Bewusstsein der Allgemeinheit wenig verankert und wird daher auch als der „vergessene Habsburger“ auf dem Kaiserthron bezeichnet.

Martin Mutschlechner