Franz Stephan: Der Lothringer in Wien

Frantz von Lutering: Franz Stephan von Lothringen im Jagdkostüm, Ölgemälde, um 1723

Die Herzöge von Lothringen waren eine alte, jedoch nicht besonders mächtige Dynastie. Ihr Herrschaftsgebiet war bedrängt von der expandierenden Großmacht Frankreich. In den Habsburgern, den Kontrahenten Frankreichs um den Vormachtsanspruch in Europa, fanden sie Verbündete.

Frantz von Lutering: Franz Stephan von Lothringen im Jagdkostüm, Ölgemälde, um 1723

Die französischen Könige stellten seit dem 16. Jahrhundert wiederholt territoriale Ansprüche auf Lothringen, die in die Besetzung des Landes durch französische Truppen mündeten. Da das Herzogtum Teil des Heiligen Römischen Reiches war, wurde der wachsende Einfluss Frankreichs auf dieses linksrheinische Territorium von den Habsburgern als Oberhaupt des Reiches bekämpft. Lothringen wurde zwischen den beiden Großmächten zerrieben.

Die lothringische Herzogsfamilie versuchte seit Generationen mittels Allianzen und Eheschließungen zwischen den Machtblöcken zu lavieren. Franz Stephan war ein Sohn von Herzog Leopold von Lothringen (1679–1729) und Prinzessin Elisabeth Charlotte von Bourbon-Orléans (1676–1744). Die Mutter Franz Stephans entstammte der französischen Königsdynastie. Sie war die einzige Tochter von Herzog Philipp I. von Orléans, dem jüngeren Bruder von Ludwig XIV., und seiner zweiten Frau Prinzessin Elisabeth Charlotte – die spitzzüngige „Liselotte von der Pfalz“, deren pointierte Beobachtungen des Versailler Hoflebens bis heute lesenswert sind, war somit Franz Stephans Großmutter.

Franz Stephan wurde als Kind an den Wiener Hof geschickt, wo er wohlwollende Aufnahme fand. Nach dem Tod des älteren Bruders und des Vaters übernahm er 1729 die Herrschaft in Lothringen. Bereits 1732 kehrte er nach Wien zurück, um der Bedrohung durch Frankreich zu entgehen. Der Grund für den Druck Frankreichs auf das kleine lothringische Herzogtum war die Angst vor einer Einkesselung: An den nördlichen Grenzen lagen die Österreichischen Niederlande, im Osten Lothringen, das – ohnedies ein Bündnispartner Österreichs – nun durch Heirat mit der habsburgischen Erbtochter Maria Theresia 1736 endgültig zur österreichischen Einflusssphäre gehört hätte. Daher besetzten 1733 französische Truppen Lothringen. Das Land wurde dem abgesetzten polnischen König Stanislaw Leszczinski übergeben, einem Parteigänger der Bourbonen, dessen Tochter Maria die Gemahlin von Louis XV. wurde.

Die Verbundenheit zwischen den Dynastien Habsburg und Lothringen wurde durch eine weitere Eheschließung  gestärkt. Franz Stephans jüngerer Bruder Karl von Lothringen (1712–1780) wurde 1744 mit der jüngeren Schwester Maria Theresias, Maria Anna (1718–1744), vermählt. Diese verstarb jedoch nach nicht einmal einjähriger Ehe an einer Fehlgeburt.

Herzog Karl hatte den fürstlich dotierten Posten eines Gouverneurs der Österreichischen Niederlande inne. Als hochrangiger Militär (Karl war Feldmarschall und Hochmeister des Deutschen Ordens ) und vor allem aufgrund seiner engen Verwandtschaft zum Kaiserhaus war er einer der ersten Träger des Maria-Theresienordens. An den Schwager Maria Theresias erinnert sein Landsitz in unmittelbarer Nähe zu Schloss Schönbrunn. Der Komplex an der Penzinger Straße im 14. Wiener Gemeindebezirk ist heute als Reinhardtseminar bekannt.

Martin Mutschlechner