Franz II./I.: Die Ehen eines Biedermannes

Leopold Fertbauer: Familienbild des Kaiserhauses um den Herzog von Reichstadt, Ölgemälde, 1826

Kaiser Franz war viermal verheiratet. Die Ehen wurden aus dynastischen Gründen geschlossen, oft stammten die Gattinnen des Kaisers aus dessen engster Verwandtschaft. Dennoch entstanden daraus Partnerschaften, die durchaus von Sympathie und Vertrauen geprägt waren.

Leopold Fertbauer: Familienbild des Kaiserhauses um den Herzog von Reichstadt, Ölgemälde, 1826

Seine erste Gattin, Elisabeth Wilhelmine von Württemberg (1767–1790), wurde von seinem Onkel Joseph II. ausgewählt. Eine Verbindung mit dem Haus Württemberg war politisch opportun, da Elisabeths ältere Schwester Sophie Dorothea mit dem russischen Thronfolger Paul vermählt war.

Die Braut, die aus einer protestantischen Dynastie stammte, wurde bereits mit 15 Jahren nach Wien geholt, um im Wiener Salesianerinnenkloster erzogen und auf die verlangte Konversion zum Katholizismus vorbereitet zu werden. 1788, mit deutlicher Verzögerung, fand schließlich die Hochzeit mit Franz statt, der in den Augen Josephs noch nicht die nötige Reife entwickelt hatte, um eine Ehe einzugehen. Die geistreiche junge Frau verband eine tiefe Sympathie mit Kaiser Joseph II. Sie starb 1790 im Alter von 23 Jahren an den Folgen einer Frühgeburt nur zwei Tage vor Joseph II., für den ihr vorzeitiger Tod einen letzten schweren Schicksalsschlag bedeutete.

Seine zweite Ehe ging Franz aus dynastischen Gründen – vom designierten Thronfolger wurde erwartet, möglichst rasch für gesunden Nachwuchs zu sorgen – bereits sechs Monate nach demTod seiner ersten Gemahlin mit Maria Theresia von Bourbon-Neapel (1772–1807) ein. Es war dies selbst für habsburgische Verhältnisse eine Heirat zwischen zwei besonders engen Verwandten. Maria Theresia entstammte der Ehe von König Ferdinand I. von Neapel-Sizilien mit Erzherzogin Maria Karoline, einer Tochter Kaiserin Maria Theresias. Darüberhinaus war Franz der Sohn von Maria Ludovica von Bourbon-Neapel, einer Schwester der Mutter seiner Braut. Franz und seine Braut Maria Theresia waren demnach sowohl mütterlicher- wie väterlicherseits Cousin und Cousine ersten Grades. Dennoch sollte diese Verbindung die einzige der vier Ehen sein, aus der Nachkommen hervorgingen, nämlich insgesamt 12 Kinder.

Die Ehe zwischen dem nüchternen Franz und der als temperamentvoll geschilderten Maria Theresia wird als überaus harmonisch beschrieben. Die beiden verband eine ausgeprägte Liebe zur Musik. Die glückliche Ehe endete durch eine Fehlgeburt, an deren  Folgen Maria Theresia mit noch nicht einmal 35 Jahren 1807 starb. Franz, der zu dieser Zeit vor großen Problemen als Folge der Wirren der Kriege mit Napoleon stand, verlor seine wichtigste emotionale Stütze.

Seine dritte Gattin war Maria Ludovica Beatrix von Modena (1787–1816), mit der er ebenfalls verwandt war. Sie war die jüngste Tochter seines Onkels Erzherzog Ferdinand und der Erbin des norditalienischen Herzogtums Modena, Maria Beatrix von Este. Ihre Familie wurde von den Truppen Napoleons aus ihrem Herzogtum vertrieben und fand Zuflucht in Österreich, wo Maria Ludovica aufwuchs. 1808 wurde Luigia, wie sie in der Familie genannt wurde, mit ihrem um fast zwanzig Jahre älteren Cousin, Kaiser Franz, vermählt, der von der Schönheit und der Anmut seiner jungen Braut begeistert war.

Die junge, energische Kaiserin wiederum entwickelte sich dank ihres politischen Instinkts zu einer gewichtigen Persönlichkeit am Wiener Hof. Sie war eine prononcierte Gegnerin etwaiger Zugeständnisse an die liberalen Kräfte. Maria Ludovica verstand es, den Patriotismus der Österreicher gegen Napoleon zu beflügeln. Sie galt als Hardlinerin im Kampf gegen Napoleon und konnte es nur schwer überwinden, dass ihre Stieftochter Marie Louise dem Erzfeind zur Gemahlin gegeben wurde.

Die Ehe der beiden wurde jedoch bald von einer schweren tuberkulösen Lungenkrankheit der Kaiserin überschattet. Aus gesundheitlichen Gründen wurde ihr von einer Schwangerschaft abgeraten. Maria Ludovica nahm sich jedoch umso fürsorglicher den Kindern aus Franz’ vorheriger Ehe an. Vor allem der erstgeborene Ferdinand, der körperlich und geistig unterentwickelt war, profitierte von ihren erzieherischen Maßnahmen.

Bei einer Kur in Karlsbad lernte die literarisch gebildete Kaiserin Johann Wolfgang von Goethe kennen, auf den sie großen Eindruck machte. Überhaupt galt die Kaiserin als geistreich und über die künstlerische Entwicklung ihrer Zeit gut informiert. In Wien machte sie vor allem mit ihrer Leidenschaft für Innenarchitektur von sich reden. Ihr nach der neuesten Mode des Empire eingerichtetes Appartement in der Wiener Hofburg sorgte am Kaiserhof, der für seinen eher traditionellen Geschmack in Bezug auf Möbelkunst bekannt war, für Aufsehen.

Sie erlebte noch den Niedergang Napoleons und den Beginn des Wiener Kongresses, an dem sie jedoch aufgrund ihrer sich zunehmend verschlechternden Gesundheit nicht teilnehmen konnte. Maria Ludovica starb 1815 mit nur 29 Jahren während eines Kuraufenthaltes in Italien.

Des Kaisers vierte Gattin war schließlich Karoline Auguste (1792–1873) aus dem Haus Wittelsbach, eine Tochter von König Maximilian I. von Bayern. Ihre erste Ehe mit Wilhelm von Württemberg war 1815 mit päpstlichem Einverständnis annuliert worden. Im folgenden Jahr heiratete sie mit 24 Jahren den doppelt so alten, bereits dreimal verwitweten Kaiser Franz, der angesichts der blühenden Erscheinung seiner jungen Braut den bekannten Ausspruch tat: „Wenigstens hab ich dann nicht in ein paar Jahren wieder eine Leich’!“ Karolina Auguste sollte ihren Gatten um 38 Jahre überleben.

Während ihrer langen Witwenschaft widmete sich Karoline Auguste zahlreichen karitativen Projekten und war auch als Förderin kultureller Einrichtungen tätig. Von der Politik hielt sich sich fern und überließ das Feld ihrer ungleich ambitionierteren Halbschwester Sophie, die 1824 Erzherzog Franz Karl, einen Stiefsohn Karolines, ehelichte. Karoline Auguste wurde somit die (nicht leibliche) Großmutter von Franz Joseph, der sie angesichts der komplizierten Verwandtschaftsverhältnisse „Großmutter-Tante“ nannte.

Martin Mutschlechner