Feine Sitte und manierliches Benehmen

Artur Halmi: Ball bei Hof – Schluss der Quadrille, Zeichnung, 1898

"Der gebildete, belesene Mensch wird über die Wahl des Gesprächsthemas selten im Zweifel sein, insbesondere dann, wenn er mit befreundeten Personen spricht, bietet ja doch der Verkehr in der Gesellschaft die zahlreichsten Anknüpfungspunkte."

Der gebildete, belesene Mensch wird über die Wahl des Gesprächsthemas selten im Zweifel sein, insbesondere dann, wenn er mit befreundeten Personen spricht, bietet ja doch der Verkehr in der Gesellschaft die zahlreichsten Anknüpfungspunkte.

Bärlein, Heinrich: Das Buch vom guten Ton. Ein unentbehrlicher Rathgeber auf dem Gebiete des Anstandes und der feinen Sitte, Brünn/Wien 1890.

Artur Halmi: Ball bei Hof – Schluss der Quadrille, Zeichnung, 1898

Manierenbücher wie "Das Buch vom guten Ton" leiteten im 19. Jahrhundert zum richtigen Verhalten in der Gesellschaft an. Diese Ratgeberschriften wandten sich insbesondere an das Bürgertum, welches in Anlehnung an die strenge Etikette des Hofstaates (hauptsächlich Mitglieder des vererbbaren Adels) ebenfalls Verhaltensweisen und -normen geschaffen hatte. Gerade weil sich die bürgerlichen Schichten an den adeligen Konventionen orientierten, wurden sie zur Zielscheibe von Karikaturen.

"Bildung und Besitz" kennzeichneten die sehr heterogene Gesellschaftsschicht, die sich aus verschiedenen Nationalitäten, Konfessionen und Berufen zusammensetzte. Die Hoffnung des Bildungs- und Wirtschaftsbürgertums auf eine Gesellschaft materiell und intellektuell selbstständiger, emanzipierter Bürger gehörte zu den "aufgeklärten", liberalen Leitgedanken der neuen Gesellschaftsschicht. Viele von ihnen waren Unternehmer, Bankiers, Financiers, Juristen und Professoren und setzten sich in der Revolution 1848 für politisches Mitspracherecht sowie eine Verfassung ein. Gleichzeitig war das liberale Bürgertum in die autoritäre staatliche Ordnung eingebunden, seine Vertreter fanden sich in vielen Führungspositionen. Die Monarchie garantierte die soziale Stellung des Bürgertums, besonders jene des Großbürgertums. Durch das Kurienwahlrecht war für viele von ihnen die politische Mitsprache mehr oder minder gesichert und die revolutionäre Phase dieser Gesellschaftsschicht abgeschlossen.

Anita Winkler