„Ein trefflicher Bevölkerer“ – Leopold II. und seine große Familie

Leopold II. im Kreis seiner Familie, Radierung, um 1790

Leopold erwies sich als Familienvater als wahrer Sohn Maria Theresias. Wie die Mutter hatte auch der Sohn 16 Kinder. Leopold und seine Gattin Maria Ludovica sind die Stammeltern etlicher habsburgischer Linien.

Leopold II. im Kreis seiner Familie, Radierung, um 1790

Maria Ludovica (1745–1792) war die Tochter Karls von Neapel-Sizilien aus dem Haus Bourbon, der 1759 als Karl III. den spanischen Thron bestieg. Bereits als Kind war das Mädchen einem Prinzen aus dem Haus Habsburg-Lothringen versprochen. Dies entsprach dem „Renversements des alliances“, der neuen Bündnispolitik Maria Theresias, die eine Annäherung der beiden Dynastien Habsburg und Bourbon – traditionell „Erzfeinde“  im Kampf um die Vorherrschaft in Europa – zum Ziel hatte. Zur Bekräftigung der Verträge wurden die Kinder gegenseitig vermählt. Ursprünglich war für diese Verbindung Karl Joseph, der zweitälteste Sohn Maria Theresias vorgesehen. Als dieser jedoch im Jugendalter verstarb, sollte diese bedeutende Partie nicht verloren gehen, und somit rückte der nächstälteste Sohn Leopold nach.

Die Hochzeit fand 1765 in Innsbruck statt und wurde vom plötzlichen Tod des Vaters des Bräutigams, Franz Stephan von Lothringen überschattet.

Maria Ludovica alterte aufgrund ihrer zahlreichen Geburten rasch. Als von wenig einnehmenden Äußeren beschrieben, galt sie als farblose Gestalt. Die Affären ihres Gatten nahm sie schicksalsergeben hin. Es heißt, dass sie mit der Langzeitmätresse ihres Gatten, der Tänzerin Livia Raimondi sogar eine Freundschaft verbunden haben soll. Maria Ludovica starb nur wenige Monate nach Leopold und ist neben ihm in der Wiener Kapuzinergruft begraben.

Die Großherzogin gebar ihrem Gatten innerhalb von 21 Jahren 16 Kinder. Darüber hinaus werden noch mindestens drei Fehlgeburten angenommen. Maria Ludovica gilt somit als eine der fruchtbarsten und gebärfreudigsten Habsburgergattinnen. Aufgrund des überdurchschnittlichen Kinderreichtums nannte Joseph seinen Bruder ironisch einen „trefflichen Bevölkerer“.

Neben drei Kindern, die bereits im Kindesalter starben, stammen folgende Mitglieder des Hauses aus dieser Ehe:

Die erstgeborene Tochter Maria Theresia (1767–1827) wurde mit Prinz Anton Clemens von Sachsen vermählt. Sie starb, kurz nachdem ihr Gatte den sächsischen Königsthron bestiegen hatte.

Der älteste Sohn Franz II./I. (1768–1835) setzte die regierende Hauptlinie fort.

Ein weiterer Sohn namens Ferdinand (1769–1824) wurde als Ferdinand III. Nachfolger seines Vaters als Großherzog der Toskana. Dessen Nachkommen bildeten den toskanischen Familienzweig Habsburger, der bis heute besteht.

Die Tochter Maria Anna (1770–1809) blieb unverheiratet und nahm die Würde einer Fürstäbtissin des adeligen Damenstiftes in Prag an.

Karl (1771–1847) wurde als Sieger von Aspern gegen Napoleon berühmt. Er wurde später von Leopolds kinderloser Schwester Marie Christine adoptiert. Als Erbe des gigantischen Vermögens (u. a. die Kunstsammlung, die später als Albertina bekannt werden sollte) gründete er den als „Linie Karl“ oder auch als Teschener Linie (nach dem Herzogtum Teschen im österreichischen Teil Schlesiens, das als Lehen des böhmischen Königs im Besitz dieser habsburgischen Nebenlinie stand) bezeichneten Zweig der Dynastie.

Alexander Leopold (1772–1795) übte unter der Bezeichnung Palatin das Amt des Statthalters in Ungarn. Er starb kinderlos.

Josef Anton (1776–1847) begründete die ungarische Linie der Habsburger und war der Nachfolger seines älteren Bruder Alexander Leopold als Palatin von Ungarn, eine Würde die unter seinen Nachkommen gleichsam erblich wurde. Josef Anton erwarb sich große Verdienste in Ungarn, wo er außerordentlich populär war. Josefs Sohn Stefan Viktor (1817–1867) folgte seinem Vater in der Funktion als Palatin Ungarns nach und versuchte sich während des ungarischen Unabhängigkeitskrieges 1848/49 in einer Vermittlerrolle zwischen dem Kaiserhaus und dem aufständischen Ungarn. Aufgrund seiner proungarischen Haltung wurde er am Hofe Franz Josephs zu einer persona non grata und starb im Exil in Deutschland. Die Nachkommen dieser Linie sollten auch noch nach dem Untergang der habsburgischen Monarchie eine nicht zu unterschätzende Rolle in der ungarischen Politik spielen.

Leopolds Tochter Maria Klementine (1777–1801) wurde mit dem Kronprinzen Franz von Neapel-Sizilien vermählt, starb jedoch mit nur 23 Jahren.

Ein weiterer Sohn namens Anton Viktor (1779–1835) schlug eine geistliche Laufbahn ein. Ursprünglich als Erzbischof und Kurfürst von Köln vorgesehen, übte er ab 1805 die Würde eines Hoch- und Deutschmeisters, wie man das Oberhaupt des Deutschen Ritterordens nannte, aus. Der Erzherzog tat sich als großer Förderer der Wissenschaften und der Künste hervor. So war er Protektor des Wiener Musikvereins, Ehrenmitglied der Akademie der Wissenschaften und privat ein begeisterter Gärtner und Botaniker.

Eine weitere Stammlinie entwickelte sich aus der nicht standesgemäßen Verbindung des „Steirischen Prinzen“, Erzherzog Johann (1782–1859), mit Anna Plochl. Die Nachkommen dieses Habsburgers tragen dem Namen Grafen von Meran und gelten nicht als Habsburger im genealogischen Sinn.

Rainer (1783–1853), der 1817 bis 1848 als Vizekönig des habsburgischen Königreiches Lombardo-Venezien fungierte, begründete eine weitere, jedoch nur kurzlebige Nebenlinie.

Ludwig (1784–1853) schlug die militärische Laufbahn ein. Dieser Habsburger war einerseits ein begeisterter Förderer der Industrialisierung und Modernisierung im Österreichischen Kaiserreich, andererseits aber auch ein entschiedener Vertreter der neoabsolutistischen und streng dynastischen Richtung innerhalb des Kaiserhauses. Ludwig wurde nach dem Tod seines älteren Bruders Kaiser Franz I. 1835 zum Vorsitzenden der Staatskonferenz ernannt, die für den schwachen und regierungsunfähigen Kaiser Ferdinand die Regentschaft führen sollte. Als verhasstes Symbol des immer mehr in Stagnation und Rückständigkeit versinkenden Systems Metternich trat er angesichts der Revolution 1848 zurück.

Für Rudolf (1788–1831) war ebenfalls eine militärische Karriere vorgesehen. Aus gesundheitlichen Gründen – er litt an Epilepsie und verfügte generell über eine schwächliche körperliche Verfassung –  schlug er später die geistliche Laufbahn ein: 1805 wurde ihm die Würde eines Erzbischofs von Olmütz in Aussicht gestellt, die er schließlich 1820 übernahm. 1819 wurde er zum Kardinal der römisch-katholischen Kirche ernannt.

In die Geschichte sollte Erzherzog Rudolf jedoch als Förderer Ludwig van Beethovens eingehen. Rudolf war musikalisch außerordentlich begabt und nahm auch Stunden bei Beethoven, mit dem ihn eine freundschaftliche Beziehung verband. Gemeinsam mit einer Gruppe von Aristokraten initiierte er die Zahlung einer Ehrenpension für den Komponisten, um ihn in Wien zu halten.

1814 übernahm Rudolf die Funktion eines Protektors der „Gesellschaft der Musikfreunde“ (auch als Wiener Musikverein bekannt). Nach seinem frühen Tod vermachte er dieser wichtigsten Institutionen des Musiklebens der Kaiserstadt seine reichhaltige Musikaliensammlung. 

Martin Mutschlechner