Der neue österreichische Antisemitismus I

Salomon Rothschild

Otto Schmidt: Jüdischer Hausierer, Fotografie, 19. Jahrhundert

Juden forderten Gleichberechtigung in der 1848er-Revolution. Doch die bestehende Diskriminierung sollte sich danach nur noch verstärken.

Salomon Rothschild

Otto Schmidt: Jüdischer Hausierer, Fotografie, 19. Jahrhundert

Im Revolutionsjahr 1848 wurde die Zuzugsbeschränkung für die jüdische Bevölkerung der Monarchie nach Wien aufgehoben. Viele Menschen strömten in die Reichshauptstadt in der Hoffnung, Arbeit zu finden. Juden hatten sich vor allem in finanzwirtschaftlichen Bereichen und im Handel etablieren können, da für Christen das Nehmen von Zinsen lange Zeit als unehrenhaft gegolten hatte. Dieses "sündhafte" Geschäft, das angesichts des Kreditbedarfes notwendig war, hatte man deshalb den Juden überlassen. Allerdings war es der jüdischen Bevölkerung (mit einer Unterbrechung 1849 bis 1853) verboten, in Wien Grundstücke zu erwerben. Selbst der Wirtschaftsmagnat Salomon Rothschild, der gute Kontakte zu Metternich pflegte und für den Bau der ersten Eisenbahnlinie Österreichs, Kaiser-Ferdinand-Nordbahn, verantwortlich war, benötigte eine Sondergenehmigung für den Grunderwerb.

Die jüdischen Unterschichten waren vielfach im Hausierergewerbe tätig. Als liberal-national gesinnte BürgerInnen kämpften in der Revolution 1848 vor allem jüdische Studenten an der Seite von Bauern und ArbeiterInnen und vertraten die Idee eines gleichberechtigten Zusammenlebens. Dennoch wurden bereits in den Revolutionsjahren antisemitische Töne laut. Sowohl die politische Gesinnung als auch ihre wirtschaftliche Position wurde später von den Massenparteien gegen die jüdische Bevölkerung ins Spiel gebracht.

Anita Winkler