9. Jänner 1822: Fico - Ich bleibe

Erzherzogin Leopoldine, Tochter des Kaisers Franz II./I. und spätere Kaiserin von Brasilien, Ölgemälde, um 1815

Die politische Situation in Brasilien verschärfte sich und drohte zu eskalieren. Durch Dona Leopoldinas Grundsatztreue bleibt Brasilien in seiner territorialen Größe erhalten.

Erzherzogin Leopoldine, Tochter des Kaisers Franz II./I. und spätere Kaiserin von Brasilien, Ölgemälde, um 1815

König João VI. von Portugal, der Schwiegervater Leopoldinas, musste nach Europa zurückkehren, um seine Herrschaft im europäischen Mutterland zu erhalten. Am 25. April 1821 wurde Prinz Pedro als Prinzregent von Brasilien eingesetzt. Pedro war 23 Jahre alt und ohne politische Erfahrung. Die Cortes, die portugiesischen Volksvertreter, wollten die politisch unsichere Situation in Rio de Janeiro nützen und Pedro und Leopoldina außer Landes bringen; dann wäre Brasilien in einzelne Regionen aufgeteilt worden.

Pedro, von der Situation völlig überfordert, wich mehr und mehr vor den Forderungen der Cortes zurück, beschwor eine Verfassung, eine nächste Verfassung, gab sich als Volksregent und kürzte die Haushaltsausgaben. Schließlich verwickelte er sich auch noch in eine Affaire mit der Ehefrau eines Generals; er wollte nur noch zurück nach Portugal und schrieb im September 1821, sechs Monate nach der Abreise seines Vaters, "...ich bitte Eure Majestät dringend mich von dieser peinlichen Aufgabe zu befreien..."

Ganz anders verlief die Entwicklung von Leopoldina in diesen sechs Monaten. Aus São Paulo war ein gebildeter Mann nach Rio de Janeiro gekommen, José Bonifácio de Andrada e Silva. Dieser "Hitzkopf mit den weißen Haaren" wurde ein väterlicher Freund von Leopoldina, mit ihm konnte sie sogar deutsch sprechen. Sie konnte ihn als wichtigsten Berater für Pedro gewinnen, und das Wesentliche: durch die Freundschaft mit José Bonifácio gewann sie ihre Selbstsicherheit wieder. Die moralischen Grundsätze, nach denen sie in Wien erzogen wurde, nämlich das persönliche Glück dem "Wohle des Volkes" zu opfern, kamen noch einmal zum Tragen: Sie überzeugte ihren Ehemann, dass die territoriale Einheit des riesigen Landes nur garantiert sei, wenn sie beide in Brasilien blieben.

Am 9. Jänner 1822 verkündete Pedro feierlich: „Fico!“ - ich bleibe.

Zwei Tage später, als Leopoldina und Pedro im Theater waren, schlugen die Cortes zu; sie besetzten Regierungsämter, zündeten öffentliche Gebäude an – eine Revolution brach aus. Pedro ritt mit seinen Truppen den Cortes entgegen, und Leopoldina ging auf die Bühne und sagte: "Bewahren Sie Ruhe, mein Gemahl hat alles unter Kontrolle!" Jubel brandete auf, denn mit diesem Worten hatte sich Leopoldina, sie war im siebenten Monat schwanger, endgültig auf die Seite der Brasilianer gestellt. "Nossa mãe" (unsere Mutter) hatte zu den Menschen gesprochen.

Leopoldina eilte nach Boa Vista, sie war in Lebensgefahr. Sie packte ihre beiden Kinder auf die Kutsche, die dreijährige Maria-Glória und den elf Monate alten João-Carlos, und ganz allein floh sie nach Santa Cruz, zwölf Stunden in sengender Jänner-Hochsommerhitze.

Die politische Situation beruhigte sich bald wieder und Leopoldina konnte mit den Kindern nach Boa Vista zurückkehren. Der kleine Kronprinz João Carlos erholte sich von den Strapazen nicht. Er starb am 4. Februar 1822. Der Fluch über dem Haus Bragança hatte sich ein weiteres Mal erfüllt. Dieser 1640 von einem Franziskanermönch wegen der Verweigerung eines Almosens gegen das Haus Bragança ausgestoßene Fluch, wonach kein erstgeborener Sohn überleben würde, hatte sich ein weiteres Mal erfüllt.

Gloria Kaiser