Rudolf II. und seine Sozialisierung als Herrscher

Martino Rota: Kaiser Rudolf II., um 1576/80

Rudolf wurde als drittes Kind aus der Ehe von Kaiser Maximilian II. und Infantin Maria von Spanien 1552 geboren. Ein älterer Bruder namens Ferdinand (geb. 1551) war noch im Kleinkindalter verstorben, sodass Rudolf als der Älteste der Söhne des Kaisers in die Rolle des Thronfolgers hineinwuchs.

Martino Rota: Kaiser Rudolf II., um 1576/80

Rudolf wuchs zunächst inmitten einer rasch wachsenden Geschwisterschar in Wien auf. 1563 kam der Elfjährige jedoch zu seinem Onkel König Philipp II. an den spanischen Hof. Spanien war damals eine Weltmacht, der spanische Hof in Lebensstil und Kultur tonangebend. Der Hintergedanke war aber auch, den jungen Erzherzog dem Umfeld des in konfessionellen Belangen äußerst toleranten Vaters zu entziehen. Rudolf sollte im Sinne der katholischen Orthodoxie erzogen werden, abgeschirmt von den protestantischen Strömungen, die in Mitteleuropa zunehmend Fuß gefasst hatten. In den Augen Spaniens, das die Hauptlinie vorgab, sollte Rudolf als zukünftiges Oberhaupt des Heiligen Römischen Reiches gemäß dem seit Karl V. in der Dynastie fortlebenden Gedanken einer universalen habsburgischen Weltmacht unter katholischen Vorzeichen erzogen werden.

In diesem Sinne erzogen, kehrte Rudolf als selbstbewusster Prinz der Dynastie nach Zentraleuropa zurück. Seine Erziehung in Spanien brachte ihn in Kontakt mit dem von der Reformation unbeeinträchtigten, gefestigten Katholizismus mediterraner Prägung. Die politische Komponente der Religion stand jedoch bei Rudolf im Vordergrund, denn er verstand den Katholizismus vor allem als Instrument der Festigung der Herrschermacht. Persönlich zeichnete er sich nicht durch übermäßige Frömmigkeit aus.  

1572 wurde er von den Ständen als Nachfolger seines Vaters als König von Ungarn, 1575 als König von Böhmen anerkannt. Ebenfalls 1575 wurde in Regensburg von den Kurfürsten die Nachfolge Rudolfs im Reich bestätigt. Wenige Monate darauf starb Vater Maximilian II. 1576 unerwartet. Rudolf war nun mit 24 Jahren ein Herrscher, der seine Rolle als Vermittler zwischen den Extremen sah, sowohl im Reich als auch in seinen Ländern.

1583 fand die Übersiedlung des Kaiserhofes von Wien nach Prag statt, das nun als glänzende Residenz ausgebaut wurde. Der junge Kaiser galt als hochgebildet, talentiert, vielversprechend, aber auch vollkommen vom Gedanken der Herrscherwürde durchdrungen – hier war die spanische Sozialisation am deutlichsten spürbar. In den ersten Jahrzehnten seiner Regierung verfolgte Rudolf einen geschickten systematischen Ausbau seiner Herrschaftsrechte.

Bald jedoch zeigten sich jedoch die Schattenseiten seines Charakters. Der Kaiser war zuweilen in seinen Entscheidungen unbeständig und wankelmütig. Auf Phasen manischer Aktivität folgten Zeiten totaler Apathie. 

Martin Mutschlechner