Marie Antoinette und die Französische Revolution

William Nuitter: Sturm auf die Bastille, nach einem Gemälde von Henry Singleton, Punktierstich, 1.3.1792

Am 14. Juli 1789 stürmte eine bewaffnete Volksmenge die Bastille, ein mittelalterliches Befestigungswerk, das als Staatsgefängnis ein Symbol der königlichen Willkürherrschaft darstellte. Es war dies das Zeichen für den allgemeinen Aufstand.

Im Leid erkennt man, wer man wirklich ist.

Marie Antoinette im Jahre 1792

William Nuitter: Sturm auf die Bastille, nach einem Gemälde von Henry Singleton, Punktierstich, 1.3.1792

Der Versailler Hof versank in lethargischem Schock. Binnen weniger Wochen brach das über Jahrhunderte gewachsene System des Ancien Régime in sich zusammen. Marie Antoinette blieb weiterhin die vorrangige Projektionsfläche des Hasses der Volksmassen. Als am 5. Oktober 1789 eine aufgebrachte Menge, angeführt von den Pariser Marktfrauen, sich auf den Weg nach Versailles machte, war Marie Antoinette das Ziel. Bewaffnete drangen in das Appartement der Königin ein, die sich mit knapper Not zum König flüchten konnte. Um die Lage zu beruhigen, versprach Ludwig Lebensmittellieferungen. In der Folge wurde die Königsfamilie gezwungen, Versailles zu verlassen und im Triumphzug nach Paris gebracht.

Dort residierte das Königspaar in den Tuilerien. Ludwig versank in Apathie, während Marie Antoinette eine enorme Aktivität entwickelte. Sie begann eine geheime Kommunikation mit ausländischen Verbündeten, im Irrglauben, durch Entschlossenheit das Ruder im letzten Moment herumreißen zu können.

Vorrangig war der Plan, aus der Gewalt der revolutionären Kräfte zu entkommen. Am 20. Juni 1791 startet die königliche Familie auf Initiative Marie Antoinettes einen Fluchtversuch. Mit Unterstützung königstreuer Sympathisanten und organisiert von Axel von Fersen, dem Vertrauten Marie Antoinettes, sollte eine Kutsche die Familie über die Grenze bringen. Doch das auffällige Gefährt mit den geheimnisvollen Insassen erregte Aufsehen, und bei einem Pferdewechsel im Städtchen Varennes wurde das Königspaar schließlich erkannt. In einem beschämenden Zug brachte man die königliche Familie als Gefangene zurück nach Paris. Der Nimbus der Unantastbarkeit der königlichen Person war nun zerstört.

Als im Frühjahr 1792 der Krieg zwischen Frankreich und Österreich ausbrach, war Marie Antoinette nun endgültig in der öffentlichen Meinung als Konterrevolutionärin diskreditiert, die mithilfe des feindlichen Auslandes gegen die Interessen des Volkes agiert hatte. Durch militärische Rückschläge destabilisierte sich die Lage im Land, die antirevolutionären Kräfte sammelten sich, es drohte ein Bürgerkrieg. Dies hatte eine Radikalisierung zur Folge: am 10. August 1792 wurde der königliche Palast gestürmt, am 21. September die Monarchie abgeschafft. Die Königsfamilie wurde nun im Pariser Temple, einer befestigen ehemaligen Klosteranlage, inhaftiert. Ende 1792 begann der Hochverratsprozess gegen den entmachteten König Ludwig, der mit dessen Hinrichtung am 21. Januar 1793 endete.

Bald darauf wurde auch Marie Antoinette vor ein Revolutionstribunal gestellt. Die am 14. Oktober 1793 begonnene Verhandlung war ein Schauprozess, bei dem das Urteil von Vornherein feststand. Die Anklage lautete auf Hochverrat und umfasste außerdem ungeheuerliche Anschuldigungen wegen moralischer Verfehlungen: u. a. wurden Marie Antoinette inzestuöse Vergehen mit ihrem Sohn vorgeworfen. Die Anklage stützte sich hierbei auf manipulierte Aussagen des ehemaligen Kronprinzen. Dass Marie Antoinette Derartiges zugetraut wurde, zeigt die Wirkung der verleumderischen Pamphlete gegen die Königin auf die Volksmeinung. Die ruhige und entschlossene Verteidigung der „Witwe Capet“, wie Marie Antoinette nun nach Verlust der königlichen Titel genannt wurde, machte einigen Eindruck und entkräftete die haarsträubendsten Anschuldigungen, konnte aber ihre Verurteilung nicht abwenden.

Nach zwei Tagen endete der Prozess mit dem Todesurteil, das unverzüglich vollstreckt werden sollte. Mit geschorenem Kopf wurde Marie Antoinette auf einem Karren durch die Pariser Straßen geführt, wobei sie laut Augenzeugen bis zuletzt Würde und Haltung bewahrte. Sie starb am 16. Oktober 1793 mit 37 Jahren unter der Guillotine.

Ihr Leichnam wurde zunächst in einem anonymen Grab bestattet. Erst Jahrzehnte später wurde die Leiche exhumiert und in Saint-Denis, der traditionellen Grablege der französischen Könige, an der Seite ihres Gatten beigesetzt.

Ihr Sohn Louis Charles starb zwei Jahre nach dem Tod der Mutter mit zehn Jahren unter ungeklärten Umständen. Die überlebende Tochter Marie Thérèse blieb bis 1795 in Gewahrsam und wurde dann im Zuge eines Gefangenenaustausches ins Exil nach Österreich gebracht zu werden. Dort verstarb „Madame Royale“ kinderlos im Jahre 1851 als Symbolfigur der Restauration bourbonischer Macht auf Schloss Frohsdorf in Niederösterreich. 

Martin Mutschlechner