Leopold I.: Kindheit und Jugend

Johannes Thomas: Leopold I. in Rüstung mit goldenem Mantel, Ordenskette des Goldenen Vlieses und den Krönungsinsignien, Ölgemälde, 1658

Leopold I. gehört mit 47 Regentschaftsjahren zu den am längsten regierenden Habsburgern. Das Herrscheramt war ihm jedoch nicht in die Wiege gelegt.

Johannes Thomas: Leopold I. in Rüstung mit goldenem Mantel, Ordenskette des Goldenen Vlieses und den Krönungsinsignien, Ölgemälde, 1658

Leopold wurde als fünftes Kind der Ehe von Kaiser Ferdinand III. und dessen erster Gemahlin Maria von Spanien geboren. Die Mutter war eine Tochter von König Philipp III. von Spanien und Erzherzogin Margarete, einer Tochter Erzherzog Karls von Innerösterreich. Dieser taucht im Stammbaum Leopolds an mehreren Stellen auf, denn Erzherzog Karl war sowohl ein Urgroßvater väterlicherseits als auch ein Urgroßvater mütterlicherseits. Die Großeltern und Eltern Leopolds waren also mehrfach verwandt und er selbst das Ergebnis der genealogischen Verschränkung der beiden Linien der Dynastie über Generationen hinweg.

Der Prinz stand zunächst im Schatten seines älteren Bruders und Kronprinzen Ferdinand IV. Leopold soll ein zartes Kind gewesen sein, das aufgrund seines zurückhaltenden und frommen Wesens für die geistliche Laufbahn vorgesehen war. Von Biografen wird unisono die charakterliche Disposition für ein kirchliches Amt hervorgehoben. Leopold erhielt die entsprechende Erziehung ganz im Sinne des jesuitisch geprägten Ideals der katholischen Gegenreformation, das von konfessioneller Intoleranz und von ins Extreme gesteigerter Frömmigkeit geprägt war.

Als Leopold 14 Jahre alt war, rückte er durch den plötzlichen Tod seines älteren Bruders zum Thronerben auf. Drei Jahre später (1657) übernahm er nach dem Tod seines Vaters mit 17 Jahren die Regentschaft. Die Nachfolge als Kaiser des Heiligen Römischen Reiches anzutreten gestaltete sich schwieriger als erwartet, da seine Wahl erst gegen den Widerstand einiger Kurfürsten durchgesetzt werden musste. Habsburgs traditioneller Anspruch auf die Kaiserwürde wurde durch die verstärkte Einmischung Frankreichs in die Reichspolitik infrage gestellt: Ludwig XIV., der Leopolds lebenslanger Konkurrent werden sollte, gewann zusehends Einfluss auf Teile der Reichsfürsten und er selbst wurde sogar zeitweilig als Kandidat ins Spiel gebracht. Es bedurfte einiger diplomatischer Anstrengungen vonseiten der habsburgischen Partei, damit die Wahl zugunsten Leopolds entschieden werden konnte. Die Krönung fand schließlich im Sommer 1658 statt.

Aufgrund der Jugend Leopolds wurde die politische Entscheidungsfindung anfänglich von dominanten Persönlichkeiten des Hofes bestimmt. Unter dem Titel eines Obersthofmeisters (Vorstand des Hofes) fungierten einige einflussreiche Aristokraten wie Johann Weikhard Fürst Auersperg (1615–1677) und Wenzel Eusebius Fürst Lobkowicz (1609–1677) – modern ausgedrückt – als Regierungschefs, die im Namen des Kaisers die Politik de facto im Alleingang bestimmten. Nach dem Sturz des Letzteren 1674 nahm Leopold die Regierung selbst in die Hand. 

Martin Mutschlechner