Kaiser Ferdinand I., Lithografie, um 1835

Johann Passini nach Peter Fendi: Familienporträt der Kaiserin Karoline Auguste, Druck nach Aquarell, 1834

Ferdinand: Ein „Betriebsunfall“ im Hause Habsburg

Kaiser Ferdinand I., Lithografie, um 1835

Johann Passini nach Peter Fendi: Familienporträt der Kaiserin Karoline Auguste, Druck nach Aquarell, 1834

Ferdinand kam am 19. April 1793 in Wien als ältester Sohn Kaiser Franz’ II./I. aus dessen zweiter Ehe mit Maria Theresia von Neapel-Sizilien zur Welt. Beide Elternteile waren mehrfach miteinander verwandt. Möglicherweise hatte dies Folgen für die Konstitution des Kindes, denn Ferdinand war gesundheitlich stark beeinträchtigt.

Kaiser Ferdinand I., Lithografie, um 1835

Johann Passini nach Peter Fendi: Familienporträt der Kaiserin Karoline Auguste, Druck nach Aquarell, 1834

Er litt an schwerer Epilepsie und hatte außerdem einen Hydrocephalus („Wasserkopf“), wodurch sein Kopf abnorm groß geraten war und in einem eigenartigen Missverhältnis zum übrigen, eher schmächtigen Körper stand. Neben seinen körperlichen Beeinträchtigungen wurde ihm eine allgemeine geistige Minderbegabung attestiert.

In Ermangelung geeigneter Therapien wurde der in seiner Entwicklung stark zurückgebliebene Junge übermäßig geschont, sodass ein Bericht über den neunjährigen Knaben ein erschreckendes Bild liefert: Ferdinand war damals offenbar nicht in der Lage sich ein Glas Wasser einzuschenken, eine Türe zu öffnen oder Treppen zu steigen, ohne sich anzuhalten.

Dieser Rückstand in der Entwicklung des jungen Erzherzogs konnte später kaum mehr aufgeholt werden. Das Ausmaß der geistigen und körperlichen Zurückgebliebenheit Ferdinands wird von seinen Biografen unterschiedlich dargestellt: Manche sehen in ihm ein totales psychisches und physisches Wrack und führen ihn als negatives Beispiel für die Folgen der über Generationen erfolgten Inzucht im Haus Habsburg an. Andere, wohlgesonnere Autoren billigen ihm durchaus Talent in künstlerischen Belangen und ein Interesse an Naturwissenschaften und technischen Neuerungen zu. Auch wird seine Sprachbegabung – Ferdinand soll fünf Sprachen gesprochen haben – hervorgehoben.

Eine nette – wenn auch sicherlich erfundene – Anekdote, die die naive Skurrilität dieses Habsburgers bezeichnend charakterisiert, ist das Staunen Ferdinands, als man ihm nach einer Jagd einen abgeschossenen Adler präsentierte. Ferdinand hätte darauf gemeint, es könne sich unmöglich um einen Adler handeln, denn er kenne dieses Tier von seinem Wappen nur mit zwei Köpfen.

Im Sinne der Betonung des legitimistisch-monarchischen Gedankens wurde er schließlich als erstgeborener Sohn als Nachfolger seines Vaters auf dem Thron bestätigt. Mit 25 Jahren trat er erstmals als offizieller Vertreter seines Vaters in der Öffentlichkeit auf und galt seither als Kronprinz, eine Position, die man ihm aufgrund seiner körperlichen und geistigen Defizite lange Zeit nicht zugetraut hatte.

1831 wurde Ferdinand mit Maria Anna von Sardinien-Piemont (1803–1884) aus dem Haus Savoyen vermählt. Sie war eine Tochter Viktor Emanuels I. (1759–1824), König von Sardinien und Herzogs von Savoyen, und Erzherzogin Maria Theresia von Österreich-Este (1773–1832), einer Enkelin Kaiserin Maria Theresias. Somit war die Braut wiederum eine entfernte Verwandte Ferdinands. Maria Anna galt als außerordentlich fromm und gottergeben und mit ihren 27 Jahren als „ältlich“ und daher als nicht besonders anspruchsvoll. Dennoch soll sie beim ersten Zusammentreffen mit ihrem zukünftigen Gemahl schockiert über dessen Zustand gewesen sein. Als Ferdinand während der Hochzeit von einem schweren epileptischen Anfall heimgesucht wurde, meinte sein Vater trocken. „Dass Gott erbarm!

Anna Maria gelang es, ihr Schicksal an der Seite ihres Gemahls mit bewundernswerter Haltung zu meistern. Sie bezeichnete sich als die Krankenschwester ihres Gatten. Später als Kaiserin erlangte Maria Anna dank ihres liebenswerten Wesens und karitativer Aktivitäten große Popularität in der Bevölkerung. Die Ehe blieb kinderlos.

1832 entging Ferdinand in der Kurstadt Baden nur knapp einem Attentatsversuch. Dieser Anschlag, den er zwar unverletzt überstand, setzte ihm psychisch schwer zu. Es war dies ein Zeichen dafür, wie trügerisch die vermeintliche Ruhe des biedermeierlichen Österreichs war. 

Martin Mutschlechner