Die Kaiserin von Brasilien

Erzherzogin Leopoldine, Tochter des Kaisers Franz II./I. und spätere Kaiserin von Brasilien, Ölgemälde, um 1815

Eine Trauung per Stellvertreter – das ist nicht gerade die romantische Vorstellung einer Traumhochzeit, war aber für weibliche Mitglieder von Herrscherdynastien durchaus nichts Ungewöhnliches.

Erzherzogin Leopoldine, Tochter des Kaisers Franz II./I. und spätere Kaiserin von Brasilien, Ölgemälde, um 1815

"Ein großer Entschluß! Aber er ist gefaßt...", schrieb Erzherzogin Leopoldine in einem Brief an ihre Schwester. Die Tochter von Kaiser Franz II./I. konnte wohl zu diesem Zeitpunkt noch nicht ahnen, wie ihre Ehe mit dem portugiesischen Kronprinzen Dom Pedro, von der sie in diesem Brief berichtet, verlaufen würde. Die Ehe war auf Metternichs Bestreben hin zustande gekommen und führte dazu, dass eine habsburgische Erzherzogin Kaiserin von Brasilien wurde: 1817 fand die prunkvolle "brasilianische Hochzeit" von Leopoldine und Dom Pedro in der Augustinerkirche in Wien statt. Der Portugiese war jedoch nicht einmal persönlich anwesend – er wurde durch Erzherzog Karl, den Sieger von Aspern, vertreten. Diese Trauung "per procurationem", also durch einen Stellvertreter, war ein durchaus häufiger Vorgang bei dynastischen Verflechtungen, die aus politischen Erwägungen vollzogen wurden.

Nach einer drei Monate dauernden Schiffsreise kam Leopoldine schließlich in Rio de Janeiro bei ihrem Ehemann an. Der portugiesische Hof war nämlich einige Jahre zuvor vor der französischen Besatzung von Lissabon nach Brasilien geflohen, um nun in Rio de Janeiro über das neue "Vereinigte Königreich von Portugal, Brasilien und Algarve" zu residieren. "Brasilien ist ein herrlicher, sanfter Himmelsstrich, ein gesegnetes Land und hat biedere und gutmütige Bewohner", schrieb sie ihrer Schwester. Auch von ihrem Gatten scheint sie zunächst begeistert gewesen zu sein: "Das Portrait des Prinzen macht mich noch halb narrisch … Er ist so schön wie Adonis."

Am 7. September 1822 rief Dom Pedro die brasilianische Unabhängigkeit von Portugal aus und ließ sich am 1. Dezember zum Kaiser von Brasilien krönen. Leopoldine, die immer wieder in die politischen Entscheidungen ihres Ehemannes eingriff, hatte ihm in einem Brief – er war gerade auf einer Reise – zu diesem Schritt geraten: "Brasilien gleicht einem Vulkan … Mit oder ohne Deine Hilfe wird es seine Trennung erreichen. Der Apfel ist reif, pflücke ihn jetzt, sonst wird er faul … Pedro, dieser Augenblick ist der wichtigste Deines Lebens … Du wirst die Unterstützung ganz Brasiliens haben."

Die habsburgische Verbindung nach Brasilien führte dazu, dass zahlreiche österreichische Naturwissenschaftler und Maler in das südamerikanische Land reisten. Sogar österreichische Siedlungen wurden in Brasilien errichtet. Die Ehe entwickelte sich jedoch für Leopoldine unglücklich, Pedro zog immer wieder Seitensprünge vor. Eine bürgerliche Geliebte machte er zu seiner ständigen Geliebten und zur "ersten Hofdame der Kaiserin"; gemeinsam mit der illegitimen Tochter aus dieser Verbindung erhob er die Geliebte in den Hochadel. Wahrscheinlich misshandelte er auch seine Gattin Leopoldine körperlich. Sie starb 1826 zehn Tage nach einer Fehlgeburt.

Stephan Gruber