Stab eines Oberzeremonienmeisters des Wiener Hofes, 19. Jahrhundert

Huldigungsakt in der Ritterstube der Hofburg, Kupferstich, nach 1740

Johann E. G. Prestel: Krönungswagen mit Imperialzug vor dem Riesentor der Stephanskirche in Wien, Ölgemälde, um 1848/1850

Gyula Éder: Kaiserin/Königin Zita und Kronprinz Otto beim Verlassen des Imperialwagens vor der Königskrönung in Budapest 1916

Naturtrompete, hergestellt von Michael Leichamschneider, 1741

Die Allmacht der Etikette – Das Wiener Hofzeremoniell

Stab eines Oberzeremonienmeisters des Wiener Hofes, 19. Jahrhundert

Huldigungsakt in der Ritterstube der Hofburg, Kupferstich, nach 1740

Johann E. G. Prestel: Krönungswagen mit Imperialzug vor dem Riesentor der Stephanskirche in Wien, Ölgemälde, um 1848/1850

Gyula Éder: Kaiserin/Königin Zita und Kronprinz Otto beim Verlassen des Imperialwagens vor der Königskrönung in Budapest 1916

Naturtrompete, hergestellt von Michael Leichamschneider, 1741

Das Hofzeremoniell "dient der Verherrlichung und Ehrung der Würde und erhabenen Stellung der Majestät des Monarchen und zur Bekundung der schuldigen Ehrfurcht gegenüber dem allerhöchsten Erzhause". Soweit ein Kenner der Materie, Ivan Ritter von Žolger, der 1917 – also kurz vor dem Ende der Monarchie – die Wesensmerkmale des habsburgischen Hofes beschrieb.

Die englische Lady Wortley Montagu über die österreichische Vorliebe für Etikette (1716): Aus Österreich kann man nichts mit Lebhaftigkeit schreiben, ich bin vom Phlegma dieses Landes bereits angesteckt. Sogar ihre Amouren und Querelen werden mit erstaunlicher Mäßigung ausgetragen, sie sind niemals lebhaft außer hinsichtlich der Etikette. Dort, das gestehe ich, zeigen sie all ihre Leidenschaften.

Zitiert nach Breunlich, Maria (Hrsg.), Lady Mary Montagu. Briefe aus Wien, Wien 1985, S. 50

Stab eines Oberzeremonienmeisters des Wiener Hofes, 19. Jahrhundert

Huldigungsakt in der Ritterstube der Hofburg, Kupferstich, nach 1740

Johann E. G. Prestel: Krönungswagen mit Imperialzug vor dem Riesentor der Stephanskirche in Wien, Ölgemälde, um 1848/1850

Gyula Éder: Kaiserin/Königin Zita und Kronprinz Otto beim Verlassen des Imperialwagens vor der Königskrönung in Budapest 1916

Naturtrompete, hergestellt von Michael Leichamschneider, 1741

Das Zentrum des höfischen Universums bildete der Kaiser, der durch eine mystische, fast religiöse Erhöhung seiner Person als unnahbar und entrückt von den Banalitäten des Alltags inszeniert wurde. So gebührte dem Kaiser in persona, aber auch wenn bei öffentlichen Zeremonien nur sein Name ausgesprochen wurde, die spanische Reverenz: Als Zeichen der Unterwerfung vor der kaiserlichen Majestät wurde eine tiefe Verbeugung gleichzeitig von einer Beugung des Knies begleitet. Eine Missachtung kam einer Infragestellung der Allmacht des Kaisers – und somit einer Majestätsbeleidigung gleich.

Das Wiener Hofzeremoniell galt als besonders konservativ und traditionsbewusst. Staatsakte und die verschiedenen Arten von Audienzen und Empfängen sowie auch familiäre Anlässe im Haus Habsburg wie Taufen, Hochzeiten und Begräbnisse, folgten strengen Regeln: Jeder Schritt und jede Handbewegung sollte von angemessener Würde durchdrungen sein. Individualität und Spontaneität waren nicht erwünscht.

Die Entstehungsgeschichte des Wiener Hofzeremoniells zeigt die verschiedenen Vorbilder, aus denen man schöpfte: Als Grundlage dienten die feudalen Traditionen des mittelalterlichen Heiligen Römischen Reiches. An der Wende zur Neuzeit kamen neue Impulse durch die Übernahme von Elementen des burgundischen Hofes, der als besonders glänzend galt. Eine weitere Umformung erfuhr der Wiener Hof aufgrund der massiven spanischen Einflüsse im 16. Jahrhundert, als das Muster des spanischen Hofes der habsburgischen Hauptlinie, der den österreichischen Habsburgern stets als Vorbild galt, bestimmend war. Daher wird auch oft vom "spanischen Hofzeremoniell" am Wiener Hof gesprochen.

Man darf sich darunter aber kein Gesetzbuch mit Paragraphen vorstellen, sondern eher eine Art 'Anlassgesetzgebung'. Im Hofzeremonielldepartement sorgten die strengen Wächter über die habsburgischen Traditionen für das angemessene "Decorum", also für kaiserlichen Glanz und Glorie. Deren Aufzeichnungen, die Zeremonialprotokolle, bildeten die Grundlage für das Zeremoniell, das für einzelne Ereignisse erarbeitet und nach Erfahrung und Präzedenzfällen ständig adjustiert wurde. Dieses 'Gedächtnis des Hofes' wurde von Generation zu Generation tradiert, die zuständigen Fachleute durchliefen eine jahrelange Schulung, um für diplomatische Meisterleistungen vorbereitet zu sein. Nach 1918 ging mit den eingeweihten Personen das Wissen verloren, das kaiserliche "spanische Hofzeremoniell" wurde zu einem Mythos.

Martin Mutschlechner