Rudolf II. und die Probleme habsburgischer Herrschaft

Adriaen de Vries: Büste Kaiser Rudolfs II., 1603

Die Bedrohung durch die Expansion des Osmanischen Reiches, konfessionelle Konflikte und zentrifugale Tendenzen in der vielgestaltigen Monarchie bestimmten die habsburgische Politik an der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert.

Adriaen de Vries: Büste Kaiser Rudolfs II., 1603

Als Herrscher über seine mitteleuropäische Territorien erkannte Rudolf bald die Unterschiede zur spanischen Monarchie: Während Spanien ein zentralistisch gesteuerter Staat mit einer eindeutigen Thronfolgeregelung war, war Rudolf hierzulande mit verschiedenartigen Ländergruppen konfrontiert, die einen losen Verband unter der Herrschaft eines gemeinsamen Monarchen darstellten. Die österreichische Ländergruppe, die Länder der böhmischen und der ungarischen Krone verfügten über unterschiedliche Rechtstraditionen und waren weit davon entfernt, ein Gesamtstaat zu sein.

In noch größerem Ausmaß galt dies für die Situation im Reich: Der Kaiser war zwar das Oberhaupt, aber die Bemühungen der Dynastie, die Reichsfürsten, die politisch und konfessionell oft konträre Wege gingen, unter habsburgischer Führung zu einigen, waren bisher immer gescheitert.

Nicht nur im Reich, sondern auch in manchen Ländern der Habsburgermonarchie war Rudolf bloß das formelle Oberhaupt mit wenig direkten Eingriffsmöglichkeiten. Durch Linienteilungen wurden die westliche Ländergruppe, bestehend aus Tirol und den Vorlanden, sowie die innerösterreichische Ländergruppe seit dem Tod Maximilians II. von eigenen Linien der Dynastie regiert. Und auch Nieder- und Oberösterreich wurden von Brüdern Rudolfs als Statthalter mit weitgehenden Rechten mehr oder weniger eigenständig verwaltet.

Rudolf war also nur in Böhmen und Ungarn unmittelbarer Herrscher.

Ungarn bzw. das Drittel des mittelalterlichen Königreiches, das unter Habsburgs Herrschaft stand, war durch die Türkengefahr ständig bedroht. Auf Phasen relativer Ruhe folgten Eroberungszüge, die erhöhte Abwehrmaßnahmen vonseiten der habsburgischen Herrscher erforderten. Aufgrund der enormen Schlagkraft der Osmanen agierten die Habsburger am ungarischen Kriegsschauplatz eher passiv als aktiv.

Der junge, ambitionierte Kaiser Rudolf entschied sich zunächst für eine Angriffspolitik und wollte sich Ruhm als „Verteidiger der Christenheit“ sichern. Er setzte den etwas realitätsfernen Plan eines Bündnisses der christlichen Herrscher Osteuropas unter kaiserlicher Führung in die Welt. 1591 begann der Angriffskrieg gegen die Osmanen, die pro-habsburgische Propaganda faselte von einem neuen Kreuzzug. Der sogenannte „Lange Türkenkrieg“ zog sich dann über 15 Jahre, brachte aber keine entscheidenden Veränderungen, sondern führte eher zu einer langsamen Erosion der Macht Rudolfs in Ungarn.

Der Türkenkrieg brachte weiters ein strukturelles Problem der Habsburgermonarchie an die Oberfläche. Der Krieg gegen die Türken war nämlich nur mithilfe der Landstände der österreichischen und böhmischen Länder zu finanzieren. Diese standen jedoch in Glaubensfragen in Opposition zum Herrscherhaus, denn die Reformation war hier auf fruchtbaren Boden gefallen.

Eine besondere Situation herrschte in Böhmen, wo der konfessionelle Pluralismus blühte. Seit der hussitischen Bewegung im 15. Jahrhundert war dort die katholische Kirchenstruktur nur mehr in Resten vorhanden. Verstärkt durch den Einfluss der lutherischen Reformation, waren in den böhmischen Ländern die Katholiken nur mehr eine verschwindende Minderheit. Der Verteidiger der konfessionellen Vielfalt war der ökonomisch starke und politisch selbstbewusste böhmische Adel. Die Anwesenheit Rudolfs in Prag trug zwar zur Festigung der königlichen Autorität bei. Durch die Einflussnahme Spaniens auf die katholische Partei einerseits und verschiedener lutherischer und kalvinistischer Mächte auf das protestantische Lager andererseits wurde die Entfremdung zwischen den Religionsgruppen immer größer, und die Fronten verhärteten sich.

Martin Mutschlechner