Maximilian und das Kaisertum: Gratwanderung zwischen Utopie und Realität

Hans Burgkmair d. Ä.: Der "Weißkunig" Kaiser Maximilians I.: "Wie der Papst den weißen König zum Römischen Kaiser krönt", Holzschnitt, 1514-1516

Der Kaisertitel war für Maximilian identitätsstiftend. Er verstand sich als das Oberhaupt der christlichen Welt und verfolgte dabei zum Teil utopische Pläne. Die realen politischen Verhältnisse sowie das Problem des ständigen Geldmangels behinderten ihn in der Realisierung seiner machtpolitischen Träume.

Hans Burgkmair d. Ä.: Der "Weißkunig" Kaiser Maximilians I.: "Wie der Papst den weißen König zum Römischen Kaiser krönt", Holzschnitt, 1514-1516

1493 starb sein Vater Kaiser Friedrich III. Bereits 1486, noch zu dessen Lebzeiten, war Maximilian zum Römischen König gewählt worden. Bei seinen Bemühungen, den Kaisertitel zu erlangen, stand Maximilian vor dem Problem, dass eine Krönung durch den Papst, wie es die mittelalterliche Tradition des Reiches verlangte, angesichts der für Maximilian prekären Situation in Italien nicht realisierbar war: 1494 begann der französische König seine Einflusssphäre in Italien auszuweiten, und Venedig zählte ohnedies zu den Gegnern des Habsburgers. Maximilian hatte dem wenig entgegenzusetzen: Norditalien befand sich fast gänzlich im Lager seiner Feinde, ein Romzug war unmöglich. Für Maximilian mit seinem überbordenden monarchischen Bewusstsein war dies schwer zu akzeptieren, denn die zumindest nominelle Herrschaft über Italien war in Anlehnung an das antike Kaisertum essentiell für den Reichsgedanken.

Maximilian fand eine Kompromisslösung: 1508 proklamierte er sich in Trient zum „Erwählten Römischen Kaiser“ und verzichtete auf eine Krönung durch den Papst. Der letzte Habsburger, der vom Papst gekrönt wurde, war sein Nachfolger und Enkel Karl V. (dessen Krönung fand jedoch nicht in Rom, sondern in Bologna statt). Danach gingen die Habsburgerkaiser gänzlich von einer Krönung durch den Papst ab. Diese fand im Anschluss an die Wahl in Frankfurt am Main statt. Anstelle des Papstes krönten nun die geistlichen Kurfürsten den Kaiser.

Verbunden mit dem Ideal des in der mittelalterlichen Gedankenwelt verankerten Kaiseramtes war die Rolle des Beschützers der Christenheit. Maximilian interpretierte dies in Bezug auf die rasante Expansion des Osmanischen Reiches in Südosteuropa. Ausgehend vom kleinasiatischen Kerngebiet eroberten die türkischen Heere große Teile des Balkans. Ein Paukenschlag für die christliche Welt waren die 1453 erfolgte Eroberung Konstantinopels und die endgültige Zerstörung des oströmischen Kaiserreiches, das – obwohl nur mehr ein Schatten seiner einstigen Macht – immer noch eine große symbolische Bedeutung hatte. Maximilian war beseelt vom Kreuzzugsgedanken und der Utopie einer Wiederauferstehung des antiken römischen Reiches, das zu einer Vereinigung der westlich-lateinischen und griechisch-byzantinischen Christenheit führen sollte. Ihm als Kaiser sollte demnach die Führungsrolle zufallen.

1511 fasste er einen weiteren unrealistischen Plan: Er war fasziniert vom Gedanken, die Kaiserwürde und den Papsttitel in seiner Person zu vereinen. Hieraus spricht das allgemeine Bedürfnis einer Reform der Römischen Kirche, die kurze Zeit später zu Luthers Reformation (1517) sowie zur Gründung der anglikanischen Staatskirche unter Heinrich VIII. (1534) führte.

Maximilians dynastisches Programm verfolgte, unterstützt durch eine ehrgeizige Hausmachtpolitik, die Durchsetzung der faktischen Erblichkeit der Kaiserkrone im Haus Habsburg. Zumindest darin war er erfolgreich: beginnend mit seinem Vater Friedrich sollten seine Nachkommen bis zum Ende des Heiligen Römischen Reiches fast durchgehend (mit einer kurzen Unterbrechung 1740–1745) die Kaiserkrone tragen. Ein anderes von Maximilian verfolgtes Projekt, nämlich die österreichischen Erbländer zu einem Königtum zu erheben, scheiterte hingegen.

Beschränkt wurden Maximilians ehrgeizige Vorhaben von ständigen Geldnöten: Zahlreiche Kriege, die prunkvolle Hofhaltung und die Finanzierung seines ambitionierten politischen Expansionsprogramms verschlangen Unsummen. Trotz der enormen Profite aus den Tiroler Silberbergwerken stand er stets am finanziellen Abgrund. In Folge geriet er zuweilen in peinliche Situationen, wenn er z. B. seine zweite Gattin Bianca Maria Sforza und deren Gefolge seinen Gläubigern als Sicherheit überlassen musste. Maximilian hinterließ seinen Nachfolgern einen Schuldenberg, an dessen Abzahlung noch Generationen von Habsburgern arbeiteten. Das Haus Habsburg geriet in finanzielle Abhängigkeit zu seinen Financiers, eine besondere Rolle spielte hier die Augsburger Kaufmannsdynastie der Fugger.

Martin Mutschlechner