Joseph II. als Vertreter des Aufgeklärten Absolutismus: Ein Philosoph auf dem Kaiserthron ?

J. B. Lampi d. Ä. (?): Kaiser Joseph II. in Feldherrenpose, Ölgemälde, 18. Jahrhundert

Joseph verinnerlichte die Ideale der Aufklärung und präsentierte sich als Philanthrop, agierte zuweilen aber auch als brutaler Machtpolitiker.

J. B. Lampi d. Ä. (?): Kaiser Joseph II. in Feldherrenpose, Ölgemälde, 18. Jahrhundert

Vernunft und Nützlichkeitsdenken waren die Waffen in seinem Kampf gegen sinnentleerte Traditionen, die die neue Gesellschaftsordnung der Aufklärung in ihrer Entfaltung behinderten. Josephs fundamentale Kritik an den bestehenden Verhältnissen machte auch vor dem Amt des Herrschers nicht halt. Öffentlichkeitswirksam beschränkte er die Ausgaben für die fürstliche Repräsentation drastisch, verabscheute Prunk und Zeremonien und bevorzugte einen spartanischen Lebensstil. So wurde Schönbrunn, das Lebenswerk seiner Mutter, als Residenz stillgelegt, während er Laxenburg und das Josephsstöckl im Augarten als Sommersitz bevorzugte, wo er in großer Zurückhaltung residierte. Das Ideal vom Monarchen als Erster Diener des Staates wurde sein Leitbild.

Die Maske des aufgeklärten Philosophen und Philanthropen konnte aber auch fallen: in außenpolitischen Belangen verfolgte Joseph eine aggressive Großmachtpolitik. Sein Ziel war es, die angeschlagene Führungsrolle Habsburgs in Mitteleuropa wiederherzustellen und den Konkurrenten Preußen in die Schranken zu weisen.

So war er die treibende Kraft bei der Annexion Galiziens 1772 im Zuge der Ersten Teilung Polens. Von vielen als Unrecht gegenüber den Polen verurteilt, wurde er hier auch von Maria Theresia heftig kritisiert.

1775 besetzten österreichische Truppen die Bukowina, wobei die Schwäche des Osmanischen Reiches im Konflikt mit dem aufstrebenden Russischen Zarenreich ausgenutzt wurde.

Pläne für einen weiteren Gebietszuwachs wälzte Joseph, als mit dem Tod des bayrischen Kurfürsten Maximilian Joseph 1777 die Hauptlinie der Wittelsbacher ausstarb. Im daraufhin ausgebrochenen Bayrischen Erbfolgekrieg besetzen österreichische Truppen das Land. Der Nachfolger des toten Kurfürsten, Karl Theodor aus der Pfälzer Linie der Wittelsbacher, stimmte einer von Joseph vorgeschlagenen Teilung zu. Dies hätte einen enormen Gebietszuwachs für Österreich bedeutet, wurde jedoch von Preußen und anderen Mächten Europas abgelehnt. Die Folge war ein zäher Krieg mit Preußen, der auf böhmischem Territorium ausgetragen wurde. Der aufgrund des Fehlens großer Schlachten  als „Zwetschgenrummel“ bzw. „Kartoffelkrieg“ bezeichnete Konflikt kostete dennoch tausenden Menschen das Leben und verheerte weite Gebiete Böhmens. Als einzigen Gewinn erhielt Österreich 1779 das Innviertel zugesprochen. Der Erwerb Bayerns blieb das große Projekt Josephs II., der seine Pläne eines Tausches des entfernten Außenpostens der Österreichischen Niederlande gegen das direkt vor der Haustüre liegende Bayern nie ganz aufgab.

Kaiser Josephs militärische Unternehmungen gegen das Osmanische Reich im Türkenkrieg von 1787 blieben weitgehend erfolglos. Der Habsburger plante in Allianz mit Zarin Katharina II. die in Europa liegenden Territorien des Osmanischen Reiches der türkischen Herrschaft zu entreißen. In der von Großmachtfantasien bestimmten Vorstellung Josephs sollten das Schwarzmeergebiet und Konstantinopel Russland zufallen, während die habsburgische Einflusssphäre um den Westbalkan erweitert worden wäre.

Dieser Kriegszug scheiterte kläglich, da sich der vermeintlich schwache Gegner erstaunlich wehrhaft zeigte. Der Feldzug endete in einem Fiasko, das viele Menschenleben kostete und die Öffentlichkeit an Josephs Geschick als Feldherrn zweifeln ließ. Außerdem zog er sich auf dem Feldzug in den rauen Gegenden des Balkans eine Lungenkrankheit zu, von der er sich nicht mehr erholen sollte. Die Aggressionspolitik Josephs drohte sich zu einem gefährlichen Konflikt zwischen Europas Großmächten auszuwachsen. Nur der frühe Tod des Kaisers verhinderte eine totale Eskalation.

Martin Mutschlechner