Grenzen passieren

Wien: An der Schlagbrücke über den Donaukanal beim Rotenturmtor

"Wenn ihr wollt spazieren gehen, so müßt ihr erst um Pässe fragen." Besonders das Metternichsche Polizeisystem kontrollierte die Bewegung fremder Reisender aufs Genaueste.

Wien: An der Schlagbrücke über den Donaukanal beim Rotenturmtor

Um die Grenzen der Monarchie und die innerhalb der Kronländer passieren zu können, benötigten Reisende entsprechende Dokumente. Seit 1792, unmittelbar nach der Französischen Revolution, wurden in Österreich vermehrt Dekrete zur Überwachung von Reisenden erlassen, um etwaige Unruhestifter fern zu halten und Verschwörungen sowie Bürgerkriegs- und Revolutionsgefahren bannen zu können. Unter Metternich entstand ein immer dichteres Netz der Kontrolle von Fremden. Es wurde die Vidierungspflicht für ausländische PassbesitzerInnen eingeführt; sie mussten sich nun bei den örtlichen Polizeidirektionen, in Wien bereits bei den Linienämtern, melden. Zudem war eine permanente Evidenzhaltung der Reisenden erforderlich. Akribisch geplante und ausgewiesene Reiserouten, von denen nicht abgewichen werden durfte, ermöglichten dem Staat eine lückenlose Kontrolle. Nicht einmal Hausinhaber und Gastwirte durften ohne vorgezeigten Pass Unterkunft gestatten. Aber nicht alle Reisenden hatten gleichermaßen das Privileg, Grenzen passieren zu dürfen. Obgleich im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch von 1811 eine Gleichbehandlung von Inländern und Fremden vorgesehen war, unterlagen letztere einer sehr rigiden Überwachung. Die Fremden unterschieden sich in die Kategorien "gutgesinnt, unbedenklich" und "schlechtgesinnt, bedenklich". Reisende aus den Peripherien der Monarchie galten ebenfalls als fremd. Jedoch waren sie aus dem Inland "mit mehr Rücksicht und weniger Strenge" zu behandeln. Überhaupt ausgenommen von der Passpflicht wurden Kuriere, die sich mit ihren Depeschen auswiesen, Fuhrleute und Grenzbewohner. Zu den passrechtlich privilegierten Gruppen zählten etwa wandernde Handwerksgesellen, Händler, Großhändler und Adelige über 28 Jahre. Als bedenkliche Reisende wurden im Dekret von 1821 "mit Schaukästen, Orgeln und anderen Spielwerken ankommende Ausländer, herumziehende Komödianten, Gaukler, Marionettenspieler, Taschenspieler (…), Vorzeiger sogennannter 'Spielwerke der Natur' als Riesen, Zwerge, Missgeburten, Italiener und andere Ausländer mit Bären, Affen, Hunden, Murmeltieren" angeführt.

Solche Klassifikationen wurden in Tableaus genau festgehalten und schufen Ordnungssysteme und typisierende Muster vom Eigenen und Fremden. Im Gegensatz zum Eigenen entstand so auch das Wilde, Unzivilisierte und Nichtidentische – das Andere.

Anita Winkler