Fortschrittsgläubig und technikfeindlich – Zeitgenossen beurteilen technische Erfindungen

Eröffnung der elektrischen Ausstellung durch Kronprinz Rudolf, 1883

An den Erfindungen und technischen Neuerungen des 19. Jahrhunderts schieden sich die Geister. Die einen sahen zum Beispiel die Eisenbahn als eine "Teufelei der Technik", die anderen als "das großartigste Denkmal der zeitgenössischen Ingenieurkunst".

Eröffnung der elektrischen Ausstellung durch Kronprinz Rudolf, 1883

Stefan Zweig, ein bedeutender österreichischer Schriftsteller, beschreibt den Fortschrittsglauben des 19. Jahrhunderts folgendermaßen: Dieser "Glaube an den ununterbrochenen, unaufhaltsamen 'Fortschritt' hatte für jenes Zeitalter wahrhaftig die Kraft einer Religion; man glaubte an diesen 'Fortschritt' schon mehr als an die Bibel, und sein Evangelium schien unumstößlich bewiesen durch die täglich neuen Wunder der Wissenschaft und der Technik". Literarisch schlug sich der Fortschrittsglaube des 19. Jahrhunderts zum Beispiel in den Büchern des französischen Schriftstellers Jules Verne nieder, der sich technische Zukunftswelten mit U-Booten und Ballonen ausmalte.

Eines dieser "Wunder der Technik" war die Elektrizität, deren Errungenschaften 1883 in einer Ausstellung dem Publikum präsentiert wurden. Kronprinz Rudolf eröffnete diese "Elektrische Ausstellung" mit "stolzen Gefühlen" über den "opferfreudigen Patriotismus einer Anzahl von Männern", die dafür eintraten, mit der Elektrizität "für das tägliche Leben neue Bahnen zu brechen". Ebenso gefeiert wurde die Eisenbahn, der Johann Strauß eine eigene Komposition widmete ("Eisenbahn-Lust-Walzer" 1836).

Nicht alle standen den technischen Errungenschaften und dem propagierten Fortschritt derart positiv gegenüber. Allen voran Franz Joseph, der weder Aufzüge noch Telefon benutzte und sich sehr spät ein englisches Wasserklosett in seine Privaträume einbauen ließ. Auch die Eisenbahn wurde nicht nur gelobt; Fachleute betonten immer wieder ihre Gefahr für die Gesundheit. Der sächsische Eisenbahndirektor etwa publizierte 1854 folgende Warnung: "Im Wagen sitzend hüte man sich, die Beine unter die gegenüberliegenden Sitze zu strecken oder sonst ein Glied des Körpers an seiner Beweglichkeit zu hindern. Bei jedem raschen Geschwindigkeitswechsel kann es geschehen, dass der Körper nach vorn oder rückwärts im Wagen geworfen wird. Dies wird meist harmlos vorübergehen, während im Gegentheile Knochenbrüche oder Quetschungen die Folge sind." Und zum insgesamt hochgelobten elektrischen Licht bemerkte ein Zeitgenosse: "Alles nur Licht! Von allen Seiten Licht! Noch mehr Licht! Zum Wahnsinnigwerden Licht!"

Christina Linsboth