Die suspendierte Kronprinzessin

Kostümbildnis der Luise, Erzherzogin von Österreich-Toskana

Titelseite des Buches "Das hysterische Weib in Familie und Gesellschaft. Ärztlich-psychologische Betrachtungen zum Falle der

Skandale waren nicht allein den männlichen Mitgliedern der Dynastie vorbehalten, auch einige Habsburgerinnen sorgten durch ihr "unstandesgemäßes" Verhalten für öffentliches Aufsehen – so etwa die sächsische Kronprinzessin Luise.

Sie hat sich demnach von nun an weder der Titel einer kaiserlichen Prinzessin und Erzherzogin von Österreich, noch einer königlichen Prinzessin von Ungarn und Böhmen zu bedienen, wie sie auch nicht das ihr angestammte erzherzogliche Wappen mit den erzherzoglichen Emblemen weiter zu führen hat. Ebenso gebührt ihr nicht mehr der Titel kaiserliche und königliche Hoheit und fallen alle … Ehrenrechte künftig für sie weg.

Kaiser Franz Joseph in einem Schreiben vom 20. Jänner 1903 über Luises Suspendierung

It seems to me that, at certain crises in our lives, we are seized by abnormal and slumbering forces which temporally create neurotic disturbances, under the influence of which we commit acts of impulse that frequently have lifelong consequences.

(Wie es scheint, sind wir in bestimmten Lebenskrisen von ungewöhnlichen, in uns schlummernden Mächten eingenommen, die vorübergehend neurotische Störungen hervorrufen, unter deren Einfluss wir spontane Handlungen setzen, die häufig lebenslange Auswirkungen mit sich bringen.)

Luise in ihren 1911 in London veröffentlichten Memoiren mit dem Titel "Luisa of Tuscany. My Own Story"

Kostümbildnis der Luise, Erzherzogin von Österreich-Toskana

Titelseite des Buches "Das hysterische Weib in Familie und Gesellschaft. Ärztlich-psychologische Betrachtungen zum Falle der

Luise, die Schwester von Erzherzog Leopold Ferdinand alias Leopold Wölfling aus der toskanischen Linie der Habsburger, heiratete 1891 Friedrich August von Sachsen und wurde damit zur sächsischen Kronprinzessin. Durch ihr (zu) freies Benehmen und ihre Leichtlebigkeit kam es zu familiären Spannungen: Sie konnte mit der konservativen Familie ihres Gatten wenig anfangen. Vermutlich ging sie eine Affäre mit dem Französischlehrer André Giron ein, sie floh jedenfalls gemeinsam mit dem mutmaßlichen Geliebten und ihrem Bruder Leopold in die Schweiz. Ein öffentlicher Skandal – mit einem exklusiven Berichterstatter: Der Journalist und Schriftsteller Felix Salten berichtete in seiner Zeitung "Die Zeit" von den Vorfällen.

Das sächsische Königshaus leitete nun die Scheidung der Ehe ein, nach deutschem Recht hätte Luise damit wieder ihren früheren Namen annehmen können, also den Titel einer Erzherzogin von Österreich. Verständlicherweise hatte der Wiener Hof wenig Freude mit dieser Aussicht. Das Familienstatut sah jedoch keine Möglichkeit vor, Luise ihre Rechte zu entziehen. Die einzige Möglichkeit war, ihre erzherzoglichen Rechte zu suspendieren: Kaiser Franz Joseph beauftragte den zuständigen Minister mit der "Streichung der Gemahlin Seiner königlichen Hoheit des Kronprinzen von Sachsen aus dem genealogischen Verzeichnisse der Mitglieder Meines Hauses".

Als neuen Namen erhielt Luise den Titel "Gräfin von Montignoso". Ihre Beziehung mit André Giron hielt zwar nicht lange, sie blieb aber weiterhin Gesprächsthema in den Medien, als sie 1907 den Musiker Enrico Toselli heiratete – ein neuer Skandal: die Wiederverheiratung einer Katholikin! 1912 wurde jedoch auch diese Ehe getrennt und Luise nahm den Titel einer "Comtesse d'Ysette" an.

Der öffentliche Skandal um die Kronprinzessin war so populär, dass der Kabarettist Karl Valentin die Affäre zu einem Couplet mit dem Titel "Luise und Giron" verarbeitete. Luises Lebenswandel wurde aber nicht nur satirisch verarbeitet, sondern war auch Gegenstand diffamierender Schriften – eine davon trug den Titel "Das hysterische Weib in Familie und Gesellschaft. Ärztlich-psychologische Betrachtungen zum Falle der Kronprinzessin von Sachsen".

Stephan Gruber