Die Seligsprechung Kaiser Karls I.

Gedächtnismesse für Kaiser Karl I. vor dem Palais Schwarzenberg in Wien, organisiert vom „Eisernen Ring“, Foto

Altar mit Bild des seliggesprochenen Exkaisers Karl I. in der Wiener Augustinerkirche

Am 3. Oktober 2004 wurde der letzte österreichische Kaiser Karl I. von Papst Johannes Paul II. in die Reihen der Seligen der römisch-katholischen Kirche aufgenommen.

Gedächtnismesse für Kaiser Karl I. vor dem Palais Schwarzenberg in Wien, organisiert vom „Eisernen Ring“, Foto

Altar mit Bild des seliggesprochenen Exkaisers Karl I. in der Wiener Augustinerkirche

Die Beatifikation des Habsburgers, wie dieser Vorgang in der Terminologie der Kirche genannt wird, war Teil einer regelrechten Offensive: 482 Heilig- und 1338 Seligsprechungen wurden von Johannes Paul II. während seines 26jährigen Pontifikats vorgenommen – mehr als in den letzten 400 Jahren davor!

Dass der letzte Monarch aus dem österreichischen Herrscherhaus zur „Ehre der Altäre“ erhoben wurde, hatte eine lange Vorgeschichte: Bereits ein Jahr nach dem Tod des Exkaisers 1922 bildete sich eine Bewegung zu seiner Heiligsprechung auf Initiative des christlich-sozialen Nationalratspräsidenten Wilhelm Miklas, der später von 1928-38 das Amt des österreichischen Bundespräsidenten innehaben sollte. Seit 1925 wurden in der Erzdiözese Wien Zeugenaussagen und biografische Details zum Leben des Kaisers gesammelt, die als Grundlage für eine Unterbreitung des Anliegens im Vatikan dienen sollten. Offiziell wurde der Prozess der Seligsprechung im Jahre 1949 eingeleitet.

Es bildete sich eine „Kaiser-Karl-Gebetsliga für den Völkerfrieden“, die als Hauptantriebskraft für den Prozess gilt. Im Jahre 1995 wurde der vatikanischen Kongregation für Heiligsprechungen die sogenannte Positio, eine 2.650 Seiten starke Dokumentation des Lebens und Wirkens des Exkaisers, die seinen heiligmäßigen Lebenswandel bestätigen soll, zur Überprüfung übergeben.

2003 wurde vom Vatikan auch offiziell ein Wunder anerkannt, das nach den Bestimmungen der römisch-katholischen Kirche als Nachweis der Heiligmäßigkeit gefordert wird: Im Jahre 1960 soll die polnische Ordensfrau Maria Zita Gradowska von Geschwüren an ihren Beinen auf wundersame Weise geheilt worden sein, nachdem sie im Gebet zu Kaiser Karl um Fürsprache gefleht hätte.

Im Verständnis der Kirche erlaubt eine Seligsprechung die offizielle Verehrung einer Person, die durch das Vorbild ihres christlichen Lebenswandels hohe Wertschätzung durch das Kirchenvolk verdiene. Der Unterschied zur Heiligkeit besteht nur darin, dass Selige in der Regel nur regionale Bedeutung haben, während Heilige von der Gesamtkirche verehrt werden.

Als Gedenktag des Seligen Karl wurde nicht der Sterbetag, sondern der 21. Oktober festgelegt, in Erinnerung an die Hochzeit mit Zita von Bourbon-Parma, die am 21. Oktober 1911 stattfand. Als Reliquie diente ein Stück einer Rippe des Leichnams, das bei der Öffnung des Sarges im Zuge der Untersuchungen im Rahmen des Seligsprechungsprozesses 1972 entnommen wurde.

Was war aus Sicht der Kirche der Grund für die Seligsprechung? Der letzte Habsburger auf dem Kaiserthron sei ein „vorbildlicher Christ, Ehemann, Familienvater und Herrscher“ gewesen. Positiv bewertet wurden sein Engagement auf dem Gebiet der Sozialpolitik und seine Bemühungen zur Versorgung von Invaliden und den Kriegshinterbliebenen sowie vor allem die – letztlich erfolglosen – Friedensbestrebungen des Kaisers während des Ersten Weltkrieges. Die Kirche würdigte durch ihre Entscheidung Karls Sicht des Herrscheramtes als „Heiligen Dienst“ und erklärte ihn zum Vorbild für politische Verantwortungsträger.

Karl wird von seinen Biografen einhellig eine tiefe Religiosität und bedingungslose Treue zur katholischen Kirche bescheinigt. Kritiker sehen in Karl einen „Befehlsempfänger der Kirche“ (Brigitte Hamann), der als „politischer Diener der Kirche“ sich sklavisch an die Vorgaben der Kirche gehalten und dadurch die Trennung von Staat und Kirche ignoriert hätte.

Ein schwerwiegenderer Kritikpunkt war die Rolle Karls im Ersten Weltkrieg. So zeigt auch das Porträt, das bei der Seligsprechung am Petersplatz enthüllt wurde, Karl in militärischer Uniform. Nach der Absetzung von Generalstabschef Franz Conrad von Hötzendorf im März 1917 war Kaiser Karl in den letzten beiden Kriegsjahren nicht nur formell Oberbefehlshaber der k. u. k. Armee, sondern auch tatsächlicher Kommandant der Streitkräfte und aktiv in die Kriegsmaschinerie involviert – er trug somit Verantwortung für tausende Kriegstote.

So war Karl auch mitverantwortlich für den Giftgaseinsatz an der italienischen Front in der 12. Isonzoschlacht im Oktober 1917. Dieser bereits damals umstrittene Einsatz war vom Kaiser zwar nicht aktiv gefördert oder angeordnet, jedoch als „Notwehrmaßnahme“ gebilligt worden.

Neben den inhaltlichen Einwänden wurde von der Öffentlichkeit auch die exponierte Rolle extrem konservativer Kirchenkreise im Seligsprechungsprozess kritisch gesehen: hier ist in erster Linie der umstrittene Bischof Kurt Krenn zu nennen. Auch die Anwesenheit einer Delegation von RepräsentantInnen des offiziellen Österreich, angeführt vom damaligen Nationalratspräsidenten Andreas Khol (ÖVP) bei der Zeremonie im Vatikan wurde medial thematisiert.

Martin Mutschlechner