„Die Beseitigung unnötiger Pracht“

Johann Stephan Decker: Kaiser Franz II./I. am Schreibtisch seines Arbeitszimmers in der Wiener Hofburg, 1826, Öl auf Eisenblech

Johann Stephan Decker: Salon, um 1830, Aquarell

Wie bei Maria Theresia bildeten auch unter Kaiser Franz II./I. Wirtschaftlichkeit und Bescheidenheit die obersten Prinzipien der Wohnkultur.

Die Einrichtung für die in den Genuss von Naturalquartier wirklich stehenden Personen sei zwar mit Beachtung des Anstandes, aber gleich mit der Beseitigung aller unnöthigen Pracht durchzuführen.

Anordnung Kaiser Franz II./I. in einem Handschreiben 1807.

Durch eine Reihe von Jahren suchte man das Äussere von Einrichtungsstücken durch vergoldetes und bronziertes Schnitzwerk […], durch Anschlagen vieler Beschläge und Verzierungen […] zu erhöhen; seit den Jahren 1823 und 1824 nahm aber diese Verzierungsart immer mehr ab, und der Wiener Geschmack verbannte dieselben endlich grösstentheils und forderte dagegen reinere Tischlerware. Die Wiener Möbel gehen seitdem mehr ins Schwere und Massive über, ersetzen den früheren Flitter durch richtigere und edlere Formen, durch glatte und canelierte Säulen, […] fordern aber auch mehr Zeichenkunde, und fleißigere und geschicktere Arbeiter.

Wenzel Carl Wolfgang Blumenbach: „Wiener Kunst- und Gewerbefreund, oder der neueste Wiener Geschmack“, 1825.

Johann Stephan Decker: Kaiser Franz II./I. am Schreibtisch seines Arbeitszimmers in der Wiener Hofburg, 1826, Öl auf Eisenblech

Johann Stephan Decker: Salon, um 1830, Aquarell

Auch unter Franz II./I. dominierte in Einrichtungsbelangen die Nüchternheit, höfische Pracht entfaltete sich allenfalls in den Räumen seiner Frauen. Bequemlichkeit und Funktionalität standen im Vordergrund – wie bei der Ausstattung bürgerlicher Wohnungen.

Die zeitgenössische Wohnkultur am Wiener Hof ist in mehreren Aquarellserien dokumentiert, die detailgenau die Ausstattung verschiedener Privaträume der kaiserlichen Familie wiedergeben. Sie ließen sogar in Schlafzimmer und Toilette blicken und gaben Details des ,biedermeierlichen‘ Hoflebens preis. Später wurden solche Darstellungen von Innenräumen auch von bürgerlicher Seite in Auftrag gegeben – das Wohnen rückte allgemein immer stärker in den Mittelpunkt des Interesses.

Unterschiedliche Handwerker wie Tischler, Tapezierer und Bildhauer lieferten die Inneneinrichtung für die kaiserlichen Residenzen. Der Kaiserhof war ein bedeutender Auftraggeber und verstand sich als Förderer des heimischen Gewerbes. Anders als zur Zeit Maria Theresias wurden die Möbel nicht mehr von den Architekten entworfen, sondern von Handwerkern, die nun über eine bessere Ausbildung verfügten. Schon Joseph II. hatte per Gesetz den Besuch einer Kunstakademie zur Voraussetzung für den Erwerb der Meisterwürde gemacht. Eine 1786 verhängte Einfuhrsperre für französische Waren führte zu einer relativen Autonomie und unterstützte die Entwicklung des Handwerks. Seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts erhielten Kunsthandwerker auch eine verbesserte Zeichenausbildung – eigene Entwürfe sollten ihre Autonomie sowie die Vielfalt der Formen fördern.

Die Entwicklung neuer Handwerkstechniken führte im 19. Jahrhundert zum Entstehen des biedermeierlichen Möbelstils. Die neuen Möbel zeichneten sich durch Einfachheit, Regelmäßigkeit, Schönheit und Solidität aus, sie waren frei von ,überflüssigen‘ Schnörkeln und Verzierungen. Dieser Interieurgeschmack wurde in Wien hauptsächlich in adeligen Kreisen entwickelt und nur zögernd vom Hof und schließlich dem Bürgertum übernommen.

Julia Teresa Friehs