Die Bären sind los! Blutiges Vergnügen im Hetzamphitheater

„Hetztheater in Erdberg“, nach einem Aquarell von A. Stutzinger

H. Sommer: „Das Hetzamphitheater“ in Wien, um 1790, kolorierte Radierung

Die Tierhetze 1790, anonymer Stich

Die Habsburger waren eine jagdfreudige Familie, sie erlegten zahllose Wildtiere, manche rotteten sie in bestimmten Gebieten sogar aus. Ein ähnlich blutiges Vergnügen fürs breite Volk bot das Hetztheater in der Vorstadt.

Lassen Sie mich sie [die Hetze] ein wenig umständlicher beschreiben, denn Sie werden daraus auf den Geschmack eines Theils des Volks schließen können. Das Amphitheater ist von Holz mit drey Stockwerken gebauet. In der Mitte steht eine zugedeckte Wassergrube, oder ein sogenanntes Bassin. Nebst diesem ist ein hoher Baum, auf welchen sich im Falle der Noth […] die Hetzknechte retten und flüchten können. […] Rund umher sind ein und zwanzig Fallthüren, und drey große Hauptthore, aus jenen werden die Thiere, und aus diesen die Ochsen und Hunde herausgelassen. Man geht über eine ganz schmale Treppe hinauf, nimmt eine Loge, oder aber setzt sich in die Runde, wo man glaubt, den Kampf am besten sehen zu können. Im zweyten Stocke sitzt eine Troup Soldaten, welche alle rothe Röcke anlegen, und die Zuschauer mit einer elenden Musik (die man die türkische heißt) bis zum Anfange des Spektakels unterhalten müssen. […] Ich war ganz Aug, das erste streitbegierige Thier zu sehen, und was war es? – ein dürrer, ausgemergelter hungarischer Ochs. […] Die Hunde zerrissen dem Ochsen ganz jämmerlich die Ohren; das arme Thier brüllte vor Schmerzen gegen eine Viertelstunde, bis endlich die Hetzknechte ihm ein Sail um die Hörner warfen, ihn losmachten, und zurückführten. Hierauf kam ein Tanzbär […]. Während des ganzen Schauspieles bemerkte ich verschiedene Mienen, und Grimassen an den Zuschauern. […] Auch das zarte Geschlecht sah gierig zu, wie sich die armen Thiere zerreißen sollten. […] Da haben Sie nun den ganzen Begriff der hiesigen Hetze …

Schilderung des Hetzamphitheaters in einem Brief vom 11. März 1776.

„Hetztheater in Erdberg“, nach einem Aquarell von A. Stutzinger

H. Sommer: „Das Hetzamphitheater“ in Wien, um 1790, kolorierte Radierung

Die Tierhetze 1790, anonymer Stich

Nicht nur die hohen Herrschaften vergnügten sich, Theater und Tanz waren bei allen Gesellschaftsschichten beliebt: in den Vorstadttheatern ebenso wie in Puppen-, Marionetten- und Possenspielen oder den Tanzsälen der Wirtshäuser.

Eine blutrünstige, doch sehr beliebte Attraktion stellte das Wiener Hetzamphitheater dar: ein dreistöckiger Holzbau mit gemauerten Tierkäfigen in der Vorstadt Unter den Weißgerbern (im heutigen dritten Wiener Gemeindebezirk), der bis zu 3.000 BesucherInnen fasste. Geboten wurden Tierhetzen: Bären, Wölfe, Wildschweine, sogar Leoparden oder Löwen wurden von Hetzhunden verfolgt und gerissen. „Thiere, welche beständig unterhalten werden. Ein Löwe. Zwey Tyger. Zehn Bären. Sechs Wölfe. Vier Wildschweine. Zwey ungarische Vollstiere. Zwey Schweizer Vollstiere. Zwey Hirsche. Einige Füchse, Daxse und Luxe. Drey und siebenzig Hunde. Außer den angezeigten tieren werden bey jeder Hetze allzeit zwey frische ungarische wilde Ochsen, die man von den hisigen Fleischhakern wählt, gehetzt.“

Die Vorführungen fanden nachmittags an Sonn- und Feiertagen von März bis November bei Schönwetter statt – das Hetzamphitheater verfügte nämlich über kein geschlossenes Dach. Die Hetzen wurden in der Innenstadt und den Vorstädten beworben, indem „Hetzzettel“ verteilt wurden. Sie fanden regen Zuspruch von allen Ständen. Bei den Vorstellungen wurde die Stimmung von einem Orchester mit fremd klingender türkischer Musik angeheizt.

Das Hetztheater machte große Gewinne, daher wurde es – gegen alle Vorbehalte und die sonst angestrebte Politik der Hebung des breiten Geschmacks – vom Staat erworben und verpachtet. Die Einnahmen flossen von nun an in die Armenkassa („Cassa Pauperum“). Große Kritik erntete diese Form der Unterhaltung vonseiten Intellektueller, die von der Aufklärung beeinflusst waren. 1796 brannte das Hetztheater ab; es wurde nicht wieder aufgebaut.

Julia Teresa Friehs