Der alte Herr von Schönbrunn auf dem Weg in den Ersten Weltkrieg

Kaiser Franz Joseph, Porträtmedaillon mit Legende und Unterschrift des Kaisers, Druck, 1917

Vernichtete russische Batterie bei Lemberg, Fotografie, 20. September 1914

Erwin Hohenegger: Kaiser Franz Joseph, Zeichnung, 1897

R. von Meissl: Leichenzug des Kaisers Franz Joseph aus dem Schönbrunner Schloss, Gouache, 1916

Alte Männer sind nicht immer so harmlos wie ihr Ruf: Sie können, wenn sie Kaiser sind, schon einmal eine Monarchie in einen Weltkrieg führen.

Kaiser Franz Joseph, Porträtmedaillon mit Legende und Unterschrift des Kaisers, Druck, 1917

Vernichtete russische Batterie bei Lemberg, Fotografie, 20. September 1914

Erwin Hohenegger: Kaiser Franz Joseph, Zeichnung, 1897

R. von Meissl: Leichenzug des Kaisers Franz Joseph aus dem Schönbrunner Schloss, Gouache, 1916

Franz Josephs Regierung war nach dem Ausgleich mit Ungarn von 1867 vor allem vom Nationalitätenkonflikt geprägt, dessen Beurteilung in der Literatur stark schwankt: Verklären manche AutorInnen die letzten Jahrzehnte der Monarchie als idyllischen "Hort der Völker", so zeichnen andere das düstere Bild eines "Völkerkerkers". Innenpolitisch war das Aufkommen der Massenparteien prägend, außenpolitisch wurde vor allem die Lage am Balkan ein vordringliches Problem.

Österreich-Ungarn suchte in diesen Jahren Anlehnung an das Deutsche Kaiserreich, das 1871 gegründet wurde: Man schloss 1879 ein Defensivbündnis, den "Zweibund", der drei Jahre später mit Italien zum "Dreibund" erweitert wurde. Auch Rumänien trat diesem Bündnis bei. Auf der anderen Seite schlossen sich zwischen 1894 und 1907 Russland, Frankreich und Großbritannien in mehreren Übereinkommen zur so genannten "Entente cordiale" (frz. "Herzliches Einverständnis") zusammen. Aufgrund dieser geheimen Bündnisse wurden die Risiken für den Fall von bewaffneten Konflikten immer unkalkulierbarer. Als am 28. Juni 1914 ein serbischer Nationalist den österreichischen Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand in Sarajevo ermordete, wurde die Kriegspropaganda in Gang gesetzt – der Erste Weltkrieg brach aus. Der greise Kaiser vermittelte der Öffentlichkeit bis zu seinem Tod, von der Notwendigkeit des Krieges überzeugt zu sein. In seiner Adresse an den k. k. Österreichischen Militär-, Witwen- und Waisenfonds von 1915 kommt dies zum Ausdruck, wenn er sich um das "Wohl der Hinterbliebenen meiner braven Krieger" sorgt.

Die Nachbetrachtung von Franz Josephs langer Regentschaft – sie dauerte 68 Jahre! – muss kritisch ausfallen: Wird er zuweilen als vom Schicksal schwer geschlagener Greis präsentiert, der "nur seine Pflicht getan" hätte, so steht diesem Bild entgegen, dass der Kaiser in Übereinstimmung mit seinen einflussreichen Beratern die Monarchie in Kriege getrieben sowie interne Spannungen verstärkt hat. Die "Pflichterfüllung" fand daher höchstens in Bezug auf dynastische Herrschaftsideen statt. Seinem Nachfolger Karl I. hinterließ Franz Joseph ein untergehendes Reich.

Stephan Gruber