Anatomische Wachspräparate und Tabakklistier – Das Josephinum als Ausbildungsort für Medizinstudenten

Mediceische Venus (anatomisches Wachspräparat), 18. Jahrhundert

Tabakklistier (Kopie)

Eine erstmals praktisch orientierte Medizinausbildung mit Wachspräparaten und medizinischen Geräten bot das nach Joseph II. benannte Josephinum.

Mediceische Venus (anatomisches Wachspräparat), 18. Jahrhundert

Tabakklistier (Kopie)

Die Missstände in der Heeresversorgung bewogen Joseph II. dazu, die medizinisch-chirurgische Ausbildung zu verbessern. So sollten die bislang handwerklich ausgebildeten Wundärzte auch in Chirurgie unterrichtet werden. Hierfür wurde neben dem an der Universität Wien angebotenen Medizinstudium 1785 die Medizinisch-Chirurgische Militärakademie gegründet – kurz: Josephinum. Um den Studenten eine optimale Ausbildung zu gewährleisten, wurden für den Unterricht Lernbehelfe wie Wachspräparate, medizinische Geräte und eine Fachbibliothek angeschafft. Die eigens dafür in Florenz angefertigten Wachsmodelle menschlicher Körperteile sollten eine praktische Vorbereitung für künftige anatomische und geburtshilfliche Eingriffe ermöglichen. Joseph II. gab insgesamt 1.192 solcher Modelle im Wert von 30.000 Gulden in Auftrag. Als revolutionär galt das Hantieren mit dem Tabakklistier. Dieses Instrument diente zur Reanimation. Warmer Tabakrauch wurde mit einem Blasebalg in den After eingeblasen; dadurch erhoffte man sich, den Darm zu reizen und von dort aus eine Wiederbelebung in Gang zu setzen. Diese Erfindung stand ganz im Geiste der 'aufklärerischen' Philanthropie. Dazu mussten aber erst Vorurteile – wie dass die Berührung von toten Körpern Lebendige verunreinige – überwunden werden. Maria Theresias Leibarzt Gerard van Swieten versuchte diesen Aberglauben im Patent über das Rettungswesen von 1769 zu beseitigen: Er verwies auf die Möglichkeit, Scheintote, Ertrunkene, Erhenkte und Erstickte mit einer Reanimation ins Leben zurückholen zu können. Gleichzeitig versuchte er den sich von Osteuropa aus verbreitenden Vampir-Mythos zu bekämpfen. Die Angst vor den aufgequollenen Leichen, die Flüssigkeit und Blut absonderten, nährte den Volksglauben, es handle sich hierbei um (Un-)Tote, die nachts aus den Gräbern auferstehen würden auf der Suche nach menschlichem Blut. Die 1897 von Bram Stoker ins Leben gerufene bekannte Romanfigur des Vampirjägers van Helsing war geradezu eine Hommage an van Swieten.

Anita Winkler