Alles dreht sich! Der Wiener Walzer

J. Albrecht: „Wiener Faschingslust“, Lithografie, 1854

Andreas Geiger nach Johann Christian Schoeller: „Der große Galopp von Joh. Strauß“, 1839, kolorierter Kupferstich

Theodor Zasche: „Der Wiener Walzer“, Aquarell, 1892

Ein neuer Tanz verdrängt Ende des 18. Jahrhunderts das Menuett vom Tanzparkett: der Walzer. Wien lenkt sich beim Tanzen ab und wiegt sich im Dreivierteltakt.

Nach dem Weggehen der Souveräne begannen die Orchester Walzer zu spielen. Alsbald schien sich eine elektrische Bewegung der ganzen zahllosen Versammlung mitzuteilen. Man muß es in Wien mitansehen, wie beim Walzer der Herr seine Dame nach dem Takt unterstützt und im wirbelnden Laufe hebt, und diese dem süßen Zauber sich hingibt und ein Anflug von Schwindel ihrem Blick einen unbestimmten Ausdruck verleiht, der ihre Schönheit vermehrt. Man kann aber auch die Macht begreifen, die der Walzer ausübt. Sobald die ersten Takte sich hören lassen, klären sich die Mienen auf, die Augen beleben sich, ein Wonnebeben durchrieselt alle.

Graf de la Garde berichtete vom Walzertanz beim Wiener Kongress.

… Armes Wien! Die Götter haben
Dich nicht lieb mehr, einen sie nahmen
Dir Dein Liebstes – Deinen Strauß,
Deinen letzten Trost und Ruhm.
Was da singt und klingt und springt:
Alles harmlos: freud’ge Lust,
Heute fördern wir’s zur Ruhe,
heut’ wird das alte Wien begraben.

Anlässlich des Todes von Johann Strauß Vater verfasste Eduard von Bauernfeld das Gedicht „Das Leben ein Tanz“.

J. Albrecht: „Wiener Faschingslust“, Lithografie, 1854

Andreas Geiger nach Johann Christian Schoeller: „Der große Galopp von Joh. Strauß“, 1839, kolorierter Kupferstich

Theodor Zasche: „Der Wiener Walzer“, Aquarell, 1892

Der Modetanz der Zeit war der aus dem Ländler entwickelte Walzer. Die frühen Walzer wurden äußerst schnell und in schwieriger Choreografie getanzt, ständige Drehbewegungen berauschten die Gemüter – nicht selten kam es zu Zusammenstößen. Sogar ein Verbot des „Galopps“, einer schnellen Form der Polka, stand zur Debatte. Die Tanzbegeisterung setzte sich quer durch alle Bevölkerungsschichten durch, das Tanzen bot einen Freiraum vom streng reglementierten Leben, insbesondere in der Faschingszeit.

Anlässlich des Wiener Kongresses fanden zahlreiche Feste und Tanzveranstaltungen statt. Sie boten das Parkett für einen internationalen Triumphzug des Wiener Walzers. Im offiziellen Teil der Veranstaltungen wurden Polonaisen und Menuette getanzt – zu vorgerückter Stunde jedoch wiegten sich besonders die jüngeren Gäste im Dreivierteltakt.

Die Tanzleidenschaft der Kongressteilnehmer zog beißenden Spott auf sich: Der österreichische Feldmarschall Karl Josef Fürst von Ligne soll gemeint haben: „Le Congrès danse beaucoup, mais il ne marche pas“ – „Der Wiener Kongress tanzt wohl, aber er schreitet nicht voran.“

Auch in den folgenden Jahren blühte das Walzergeschäft – für die Musikdirektoren wurde es allerdings immer schwieriger, die große Menge an Tanzenden in den neuen Etablissements zufriedenzustellen. Die ursprünglich kleinen Kapellen mussten vergrößert, neue Stücke eingeübt und komponiert werden. Joseph Lanner und Johann Strauß Vater prägten die Walzerkomposition und gaben ihr eine neue, spezifisch wienerische Form. Auf Anweisung Ferdinands, des ältesten Sohns Kaiser Franz’ II./I., sollte bei den Hofbällen der Vortrag einer Walzerpartie exakt acht Minuten dauern. Statt des vorher üblichen springenden Tanzstils drehten sich die Paare nun im Schwebeschritt durch die Ballsäle.

Ab 1830 wurde der Wiener Walzer in andere Zentren Europas ,exportiert‘: Johann Strauß Vater spielte in Deutschland, Belgien und England. Die Popularität des Walzers in seiner Heimatstadt blieb ungebrochen und ist sowohl durch die Verkaufsziffern von Musikverlagen belegt, welche die Noten vertrieben, als auch durch große Ankündigungen von Walzerpremieren. In der Ringstraßenzeit ging der Wiener Walzer in die Operette ein.

Julia Teresa Friehs