Alle Wege führen in die Residenzstadt – Mit der Eisenbahn geht’s schnell und über große Distanzen

Schienen einer Spielzeugeisenbahn, Anfang des 20. Jahrhunderts

mehrsprachige Lehrtafel für den Schulunterricht zum Thema "Fortbewegen", um 1868

Rinder aus Ungarn, Kohle aus Mähren und Soldaten auf‘s Schlachtfeld – nicht zuletzt dank der Eisenbahn konnte nach und von Wien alles transportiert werden, was die Monarchie so hergab.

Schienen einer Spielzeugeisenbahn, Anfang des 20. Jahrhunderts

mehrsprachige Lehrtafel für den Schulunterricht zum Thema "Fortbewegen", um 1868

Die Residenzstadt war im 19. Jahrhundert der Verkehrsknotenpunkt der Monarchie schlechthin. Als Zentrum der politischen Macht wurde Wien schon in den vorangegangenen Jahrhunderten mit Waren aus dem ganzen Reich beliefert; die Produkte gelangten auf der Straße oder per Donauschiff in die Stadt. Im 19. Jahrhundert fuhren die ersten Eisenbahnen, von Wien aus wurde das ganze Reich mit einem Schienennetz überzogen. Es führte beispielsweise nach Triest bzw. Sarajevo im Süden (im heutigen Italien  bzw. Bosnien und Herzegowina), nach Czernowitz im Osten (in der heutigen Ukraine), nach Aussig im Norden (im heutigen Tschechien) und über den Arlberg in den Westen Europas. Die Residenzstadt zog die verschiedensten Produkte aus der gesamten Monarchie an – beispielsweise Rinder aus Ungarn, Steinkohle aus der Steiermark sowie Mähren und Holzkörbe aus der Gottschee im heutigen Slowenien. Wiens BewohnerInnen importierten weitaus mehr Waren als sie selbst produzierten und exportierten: Ausgeführt wurden vor allem Fertigprodukte wie Kunsthandwerk, eingeführt wurden vor allem Rohstoffe. Neu am Eisenbahntransport war jedoch nicht, dass die Waren von weit her nach Wien gelangten, sondern wie schnell sie transportiert werden konnten. Außerdem fasste ein Eisenbahnwaggon weitaus mehr Güter als eine Kutsche oder ein Handwagen. Dass die zunächst privaten 'Bauherren' des Eisenbahnnetzes vor allem auf wirtschaftliche Vorteile bedacht waren und nicht auf militärische, machte sich bei der Schlacht von Königgrätz 1866 bemerkbar: Die Soldaten konnten nur auf einer eingleisigen Strecke zum Schlachtfeld transportiert werden. Bis zum Ersten Weltkrieg wurde dieses 'Problem' behoben – mit ein Grund, warum der Erste Weltkrieg als 'industrieller Krieg' bezeichnet wird. Neben der Eisenbahn transportierten auch die Donauschiffe Güter nach Wien, allerdings nur rund drei Prozent der Warenmenge der Eisenbahn. Obwohl seit dem Ende der 1820er Jahre Dampfschiffe auf der Donau fuhren, kamen vor  allem land- und forstwirtschaftliche Produkte weiterhin per Ruderschiff und Floß.

Christina Linsboth